Motorsport Engineering Mit Wasserstoff bei den 24 Stunden von Le Mans
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Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans sollen bald wasserstoffbetriebene Rennwagen starten. Bernard Niclot vom Automobilclub ACO, und Jean Michel Bouresche von „GreenGT“, erklären die Hintergründe.

Herr Niclot, Herr Bouresche, der „Automobile Club de l´Quest“ (ACO) will im Jahr 2024 eine neue Rennserie mit Rennwagen starten, die mit Wasserstoff fahren. Wie ist der aktuelle Stand des Projekts?
Bernard Niclot: Der ACO wird eine Wasserstoff-Kategorie beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans und dem World Endurance Championship (WEC) starten. Es handelt sich dabei aber nicht um eine „One Technology Series“ – sondern die Wasserstoffautos werden im selben Rennen gegen Fahrzeuge mit Otto- oder Hybridantrieb antreten.
Sie müssen sich also an anderen Antriebstechnologien messen lassen; das ist schon immer die Philosophie der 24 Stunden von Le Mans. Wir haben das Projekt 2018 gestartet und kommen gut voran. Aktuell beteiligen sich neun Autohersteller und einige Tier-1-Zulieferer an unserer Arbeitsgruppe zum Thema Wasserstoff. Wir liegen im Zeitplan für den Start im Jahr 2024.
Wasserstoff kann in einer Brennstoffzelle oder in einem Verbrennungsmotor verwendet werden. Welche Technologie werden wir im Rennen sehen?
Niclot: Wir wollen straßenrelevante Technologien für emissionsfreie Mobilität entwickeln. Im Jahr 2024 werden nur noch Brennstoffzellenautos für die Rennen zugelassen sein, da dies der derzeitige Standard für Serienfahrzeuge, Busse und Lastwagen ist. Künftig können diese Vorschriften aber für Wasserstoff-Verbrennungsmotoren geweitet werden – wenn ein Hersteller Interesse an einem Wettbewerb hat.
Dafür müsste er mit einem entsprechenden Motor am Rennen teilnehmen; damit wir bewerten können: Wie wettbewerbsfähig ist die Technologie und wie können wir sie im Feld integrieren? Ist die Technologie wirklich emissionsfrei, insbesondere mit null NOx-Emissionen? Wie können wir dies während des gesamten Rennens kontrollieren?
Wie viele Teams werden an dem Rennen teilnehmen und mit wie vielen unterschiedlichen Fahrzeugen?
Niclot: Wir würden uns freuen, wenn im Jahr 2024 drei Konkurrenten mit jeweils zwei Autos starten, also sechs Wasserstoffautos im Rennen sind. Unser Ziel ist es, dass in der Wasserstoff-Kategorie mehr als drei Hersteller antreten. Die Autos werden sich zum Beispiel bei der Brennstoffzelle unterscheiden. Einige teure Teile wie Wasserstofftanks könnten in allen Fahrzeugen als Gleichteil zum Einsatz kommen. Aber selbst wenn es zu Beginn weniger Wasserstoff-Autos sind, können sie ihre Leistungsfähigkeit beweisen – weil sie gegen Le-Mans-Hypercars antreten werden. Das macht diese Le-Mans-H2-Kategorie einzigartig und unterscheidet sie von Technologie-Serien, in denen gleiche Fahrzeuge konkurrieren; zum Beispiel die Formel E oder Hyraze.
Welche Unternehmen sind an der neuen Rennserie beteiligt, zum Beispiel bei der Infrastruktur oder dem Wasserstoff? Werden Sie im Rennen ausschließlich grünen Wasserstoff verwenden?
Niclot: Die Fahrzeuge in der Wasserstoff-Kategorie werden zu 100 Prozent mit grünem Wasserstoff fahren – das ist verpflichtend. Bei der Betankungsinfrastruktur – ein wichtiges und komplexes Thema – und bei einigen Komponenten des Autos, unterstützen uns große Unternehmen. Zum Beispiel gab Plastic Omnium vor kurzem bekannt, spezielle Wasserstofftanks entwickeln zu wollen. Es ist sehr wichtig, dass uns führende Unternehmen unterstützen, schließlich müssen wir höchste Leistung und höchste Sicherheit bieten.
Welche Unternehmen haben sich MissionH24 bereits angeschlossen?
Jean Michel Bouresche: Die offiziellen technischen Partner von MissionH24 sind Total, Michelin-Symbio und eben Plastic Omnium. Total hat mit seiner mobilen H2-Tankstelle eine Weltneuheit vorgestellt. Die Tankstelle wurde speziell für die MissionH24 und den Rennstall „H24Racing“ entwickelt. Michelin-Symbio liefert die Reifen; und Symbio – ein Joint Venture von Michelin und Faurecia – liefert die Brennstoffzellen-Mebran. Außerdem haben wir kürzlich mit dem Uhrenhersteller Richard Mille einen weiteren rennsportbegeisterten Partner gewonnen.
Sie sind mit dem Prototypen „LMPH2G“ im vergangenen Jahr in Le Mans einige Demorunden gefahren. Wer hat das Fahrzeug entwickelt und gebaut?
Bouresche: Der LMPH2G ist ein Rennprototyp. Er basiert auf einem LMP3-Renn-Chassis, das von Adess nach den Spezifikationen von GreenGT gebaut und dann kundenspezifisch angepasst wurde. Im September haben wir zudem den neuen Rennprototypen „H24“ vorgestellt. Beide Prototypen hat unser Rennteam „H24Racing“ entwickelt.
Welche technischen Daten hat der neue Prototyp und worin unterscheidet er sich vom bisherigen Fahrzeug?
Bouresche: Verglichen mit dem LMPH2G ist der H24-Rennprototyp um 130 Kilogramm leichter und sein Antriebsstrang entwickelt mehr Leistung; 550 kW bei 17.000 Umdrehungen. Die vollständigen technischen Spezifikationen geben wir bald bekannt.
Wie viele Personen arbeiten am Projekt MissionH24?
Bouresche: GreenGT ist eine High-Tech-Firma, in der etwa 25 Personen am MissionH24-Programm beteiligt sind. Jeder Partner des Programms verfügt über zusätzliche Ressourcen.
Welche Zukunft sehen Sie für den Motorsport und welche Klassen werden bestehen bleiben, insbesondere bei den 24 Stunden von Le Mans?
Niclot: Der Motorsport muss sich erneuern und bei Klimaneutralität und Null-Emissionen vorausfahren. Vor allem aber muss er die Entwicklung und den Einsatz dieser Technologien beschleunigen. In Le Mans beginnt das mit der Kategorie „Zero Emission Valley“ – inmitten des traditionellen Feldes aus Hypercars, LMP2 und GTs.
Die Fragen stellte Thomas Günnel.
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