Antrieb Audi: Alternative Kraftstoffe und 48 Volt

Autor Thomas Günnel

Der Vorsprung durch Technik verpflichtet genauso wie gesetzliche Emissionsvorgaben. Audi hat deshalb neue Motoren entwickelt und setzt viel stärker auf alternative Kraftstoffe – und die 48-Volt-Technik.

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Der Riemen-Starter-Generator im 48-Volt-Bordnetz unterstützt beim Segeln und erweitert das Start-Stopp-System.
Der Riemen-Starter-Generator im 48-Volt-Bordnetz unterstützt beim Segeln und erweitert das Start-Stopp-System.
(Bild: Audi)

Termin am Flughafen München. Knapp vier Millionen Fluggäste verzeichnete der erste europäische „Fünf-Sterne-Flughafen“ allein im Mai dieses Jahres – ich gehöre dieses Mal leider nicht dazu. Interessant wird es dennoch: Auf der großen Freifläche zwischen den Terminals stellt Audi beim Technologietag zum Verbrennungsmotor neue Diesel- und Ottomotoren sowie hybride Antriebskonzepte vor – allen voran ein 48-Volt-Teilbordnetz und neue CNG-Modelle, also solche, die auch Erdgas statt nur Benzin verbrennen.

Doch der Reihe nach: Alle V6-Motoren (EA 839) haben drei Liter Hubraum, der V8-Motor (EA 825) vier Liter. Die Leistungsspanne reicht von 160 kW/218 PS bis 445 kW/605 PS. Die V6- und V8-Motoren setzt Audi in allen Modellen ein, die auf dem modularen Längsbaukasten basieren, also im A4, A5, A6, A8, Q5 und Q7. Eine Sonderstellung nimmt der neue 2,9 Liter V6-Motor im Audi RS 5 ein: Er leistet 331 kW/450 PS und stemmt 600 Newtonmeter Drehmoment zwischen 1.900 bis 5.000 U/min auf die Kurbelwelle. Wegen der gesteigerten Leistung und der damit höheren Belastung sank der Hubraum um 0,1 Liter.

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Alle Motoren sind turboaufgeladen, die Otto-Varianten entwickelten Audi und Porsche gemeinsam. Sie basieren auf einem modularen Konzept – mit dem Vorteil zahlreicher Gleichteile, etwa dem Ölpumpenmodul oder dem Kettentrieb zu den Nockenwellen. Außerdem verfügen alle Motoren über einen zentral sitzenden Injektor.

Die Kurbelgehäuse sind aus Aluminium gegossen und so um bis zu 40 Kilogramm leichter, die Zylinderbänke stehen im 90-Grad-Winkel zueinander. In den V6-Motoren kompensiert eine Ausgleichswelle im Innen-V die auftretenden Massenmomente. Vor allem aber sind alle Motoren auf Mildhybridisierung ausgelegt.

48 Volt im nächsten A8

Das 48-Volt-Teilbordnetz kommt mit dem neuen A8 – den es ausschließlich als Mild-Hybriden geben wird. Der Antrieb besteht maßgeblich aus zwei Komponenten: Die eine ist ein wassergekühlter Riemen-Starter-Generator (RSG) an der Stirnseite des Motors, den ein hochbelastbarer Keilrippenriemen mit der Kurbelwelle verbindet.

Der RSG leistet bis zu zwölf Kilowatt Rekuperationsleistung und hat ein maximales Drehmoment von 60 Newtonmetern. Nimmt nun der Fahrer zwischen 30 und 160 km/h den Fuß vom Gas, kann das Auto bis zu 45 Sekunden lang mit ausgeschaltetem Motor segeln. Beim Rollen mit niedrigem Tempo beginnt die Start-Stopp-Phase schon bei 22 km/h – beides spart Kraftstoff. Sobald der Fahrer wieder Gas gibt, erfolgt ein schneller Wiederstart mittels des RSG. Ein herkömmlicher Ritzelstarter ist nach wie vor an Bord, kommt aber nur noch beim ersten Start zum Einsatz.

Zwei Stromnetze notwendig

Die zweite Komponente ist eine Lithium-Ionen-Batterie mit zehn Ampérestunden Kapazität und 48-Volt-Spannungslage. Im A8 ist das 48-Volt-Netz das Hauptbordnetz. Das 12-Volt-Netz ist über einen DC/DC-Wandler an das Hauptbordnetz gekoppelt. Zwölf Volt? Wieso nicht nur 48 Volt? Weil der Gesetzgeber ein Rückfallsystem verlangt. Das 12-Volt-Netz stützt also das 48-Volt-Netz und versorgt die bisher üblichen 12-Volt-Komponenten. Fällt das „stärkere“ Netz aus, garantiert das 12-Volt-Bordnetz außerdem sicherheitskritische Funktionen wie Lenken und Bremsen.

Der Lithium-Ionen-Akku des 48-Volt-Netzes hat etwa das Format einer großen Bleibatterie und ist im Gepäckraum untergebracht. Die Temperatur regelt Audi mittels Luftkühlung. Mittelfristig sollen auch Nebenaggregate mit 48 Volt funktionieren, etwa Pumpen und Kompressoren – und Komfortverbraucher wie Scheibenheizungen oder Soundanlagen. Kleine Verbraucher, etwa Steuergeräte oder Leuchten, sollen auch langfristig mit der geringeren Spannung arbeiten.

Reibungsoptimierter V6

„Der 3.0-Liter-V6 ist der reibleistungsärmste V6 am Markt“, erklärt mir ein Audi-Ingenieur. „Um das zu erreichen, verwenden wir zum Beispiel Öl mit einer geringeren Viskosität, 0/W20.“ Beschichtete Lager, dreiteilige Kolbenringe, eingegossene Graugussbuchsen und leicht ballig geschliffene Nockenwellen tragen ebenfalls dazu bei, die Reibung zu reduzieren. Ein Ölkreislauf mit unterschiedlichen Querschnitten für Block und Zylinderköpfe bringt zudem das Öl schnell auf Betriebstemperatur.

Einen ähnlichen Weg geht Audi beim weiterentwickelten 3.0 TDI: Leichtbau bei Zylinderkurbelgehäuse, Kurbelwelle und Zylinderkopf, eine leistungsgeregelte Ölpumpe, getrennte Kühlmittelkreisläufe des Kurbelgehäuses und der Zylinderköpfe und ein Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie sollen für Effizienz sorgen. Die Abgasreinigung erfolgt zweistufig und nah am Motor: mittels NOx-Oxidationskatalysator und eines Dieselpartikelfilters mit SCR-Beschichtung.

Erdgas für Volumenmodelle

Fast ohne Partikel verbrennt Erdgas – deshalb bietet Audi den Antrieb nun auch in der Mittelklasse an: Ab Frühsommer dieses Jahres gibt es den A4 Avant G-Tron und den A5 Sportback G-Tron zu kaufen. In beiden Modellen arbeitet ein 2.0-TFSI-Motor, der 125 kW/170 PS leistet. Bei 1.650 U/min liegen 270 Nm Drehmoment an. Im A5 reicht das mit Doppelkupplungsgetriebe (DKG) für 8,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h und 223 km/h Höchstgeschwindigkeit – mit anderen Worten: es ist praktisch kein Unterschied zu merken verglichen mit einem rein mit Benzin angetriebenen A5.

Die Übergänge zwischen Erdgas- und Benzinbetrieb waren bei Testfahrten rund um den Flughafen nicht zu spüren. Den Verbrauch beziffert Audi mit 3,8 Kilogramm CNG im A5 Sportback G-Tron mit DKG, laut NEFZ. Stand Ende Mai entspricht das Kraftstoffkosten von etwa vier Euro. Wichtig für die Flotte: Die CO2-Emission beträgt 102 Gramm pro Kilometer. Im Benzinbetrieb verbraucht das Modell 5,6 Liter pro 100 Kilometer und emittiert 126 Gramm CO2 pro Kilometer. Konkret: Der A5 schafft rund 500 km mit CNG und etwa 450 mit Benzin.

Fast klimaneutral unterwegs

Beim Betrieb mit dem nachhaltig produzierten Audi „e-gas“ ist die G-Tron-Flotte in der „well to wheel“-Betrachtung (von der Kraftstoff-Quelle zum Rad) im CNG-Betrieb laut Audi nahezu klimaneutral unterwegs. Gegenüber einem vergleichbaren Benzinmodell verringert sich der CO2-Ausstoß um 80 Prozent. CNG ist chemisch mit Erdgas praktisch identisch und deshalb in beliebiger Menge ins Erdgasnetz einspeisbar.

Die CNG-Tanks, vier Gasflaschen mit 19 Kilogramm Fassungsvermögen, sind unterhalb des Laderaumes untergebracht – der um 3,5 Zentimeter höher liegt als im herkömmlichen A5. Der Benzintank fasst gerade noch 25 Liter. Rund 120 Kilogramm wiegt das CNG-System – Leichtbau bei den Gasflaschen drückt das Mehrgewicht auf den erträglichen Wert.

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Die CNG-Behälter speichern das Gas mit 200 bar Betriebsdruck bei 15 Grad Celsius und sind dreischichtig aufgebaut: Eine Matrix aus gasdichtem Polyamid bildet die innere Lage. Die zweite Schicht besteht aus einer Mischwicklung von kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) und glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) – sie sorgt für höchste Festigkeit. Die dritte Schicht ist ausschließlich aus GFK gefertigt und soll vor allem beschädigte Stellen anzeigen, indem sie sich milchig-weiß verfärbt.

Und die Infrastruktur? Aktuell gibt es in Europa etwas über 3.600 Erdgas-Tankstellen, bis zum Jahr 2025 soll alle 150 Kilometer eine stehen. Ein anspruchsvolles Ziel – und ein notwendiges, wenn Erdgas wirklich beim Endkunden ankommen soll.

Viel Spaß im SQ5

Apropos ankommen: Sehr gut kam der neue SQ5 an, den Audi bei der Gelegenheit vorstellte. Drei Liter Hubraum, Turbo-aufgeladene 260 kW/354 PS sowie 500 Newtonmeter Drehmoment zwischen 1.370 U/min und 4.500 U/min machen schlicht Spaß. Für die passende Geräuschkulisse sorgen Klappen im Abgassystem, die bei Bedarf auch akustisch Leistung demonstrieren.

Neu ist der Twinscroll-Turbolader: Die Abgasstränge der beiden Zylinderbänke verlaufen im Krümmer und im Ladergehäuse voneinander getrennt und treffen erst vor dem Turbinenrad zusammen. Das verbessert die Strömungseigenschaften – die Turbine spricht spontaner an. Platziert ist der Turbolader im 90-Grad-V der Zylinderbänke. Die Anordnung hat zwei Vorteile: eine kompakte Bauweise und minimale Strömungsverluste. Der Abgaskrümmer ist in den Zylinderkopf integriert und wird vom Kühlmittel umspült. Das hilft, den Motors schneller auf Betriebstemperatur zu bringen. Wenn der Motor warm ist, senkt das System die Abgastemperatur.

Der technische Aufwand lohnt sich – auch aus Vernunft-, sprich, Emissionsgründen – vor allem aber bei emotionaler Betrachtung: Bei Bedarf vergehen nur 5,4 Sekunden, bis der elektronische Tacho 100 km/h anzeigt. Bei Vollgas auf’s Ziel zu liegen maximal die elektronisch begrenzten 250 km/h an. Da vergesse ich doch fast, dass bei nur rund 50 km/h mehr ein Airbus A380 abhebt – der mich doch noch zu einem der Ziele bringen könnte, die ich an der Flughafentafel gesehen habe.

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