Wirtschaft Coronakrise bringt Rekordverschuldung: Für welche Technik gibt es noch Budgets?
Hohe Schulden, geringe Profitabilität: AlixPartners hat die Situation der Autobranche analysiert. Unter Druck geraten vor allem zwei Technikfelder.
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Der aktuellen Krise durch die Corona-Pandemie geht ein Jahr voraus, indem Automobilzulieferer und -hersteller bereits deutlich Federn bei ihren Finanzen lassen mussten. Das ist ein Ergebnis des Global Automotive Outlook von AlixPartners. Für die Studie hat die Beratung in den vergangenen Monaten die Bilanzen von mehr als 300 Automobilherstellern und -zulieferern ausgewertet, Experten interviewt und Verbraucher befragt.
So sei die Kapitalrendite der Hersteller von 2015 bis 2019 um 47 Prozent eingebrochen. Die Zulieferer mussten insgesamt ein Minus von 36 Prozent hinnehmen. Das Betriebsergebnis (EBIT) sinkt im selben Zeitraum für OEMs um 13 Prozent, für Zulieferer um 33 Prozent. Durch den Absatzeinbruch schrumpfte die Profitabilität der Hersteller außerdem auf 4,8 Prozent. Das sei der niedrigste Wert des vergangenen Jahrzehnts.
Schuldenstand der Autobranche steigt immens
Und dann sind da noch die hohen Schulden der Unternehmen. „Der Schuldenstand ist auf Rekordniveau“, sagt Marcus Kleinfeld, Managing Director bei AlixPartners. Eine Rezession durch das Coronavirus lässt 2020 die Gesamtkapitalrendite ins Negative stürzen. Insgesamt 72 Milliarden US-Dollar Schulden nehmen laut der Studie die fünfzig größten Autobauer und Zulieferer noch im laufenden Jahr auf.
Die Coronakrise sorgt im Kern dafür, dass der Geldhahn der Autobrache zugedreht wird.
„Die globalen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sind im Jahr 2020 so dramatisch, als wäre ein Markt von der Größe Europas über Nacht verschwunden“ sagt Jens Haas, Managing Director und Restrukturierungsexperte bei Alix Partners. „Autoherstellern, Zulieferern und Mobilitätsanbietern stehen nun weniger Mittel aus dem laufenden Geschäft zur Verfügung. Und auch zusätzliche Kredite müssen irgendwann zurückbezahlt werden.“
Alle Kosten, sämtliche Programme und Investitionen, müssten daher hinsichtlich Liquidität und Rentabilität neu bewertet und priorisiert werden. „Es wird zwangsläufig zu erheblichen Kostensenkungen und Streichungen beziehungsweise Verschiebungen von Investitionen kommen.“
Was bedeutet die Krise für Autonomes Fahren, Elektromobilität, Shared Mobility und Connected Services?
Was heißt das konkret für die Modellpaletten der Autobauer und wie kommen Projekte für die Technologie der Zukunft durch die Krise? „Die Coronakrise sorgt im Kern dafür, dass der Geldhahn der Autobrache zugedreht wird“, sagt Studienautor Marcus Kleinfeld. Da es nicht ausreiche, Investitionsbudgets zu kürzen, würden nun die Autobauer ihre Modelle und Motorenvarianten zusammenstreichen. Den Rotstift könnte man am einfachsten bei den Motoren ansetzen. Die Schulden sind zu groß, um diesen Schritt nicht zu gehen, sagt Kleinfeld.
Immerhin: „Die Elektrifizierung und Connected Services leiden am wenigsten unter der Pandemie.“ Gerade bei der Elektromobilität funktionierten die Unterstützungsmaßnahmen der Regierung weiterhin gut. Besonders die „drakonischen“ CO2-Strafen zwingen demnach die Autobauer, ihre Programme voranzutreiben. Die Batteriekosten würden sinken, und Marktgerüchten zufolge bringe Tesla bald die Batterietechnik mit einem hohen Sprung nach vorne. Dieser Wettbewerb treibe die Branche ebenfalls an.
Projekte: Verzögern oder Streichen?
Unter Druck kommen allerdings automatisierte Fahrsysteme und Mobilitätsdienste. „Die Budgets für autonomes Fahren sind schlichtweg weggeschmolzen“, sagt Kleinfeld. Dem könnten Unternehmen auf zwei Arten begegnen: Projekte streichen oder sie verzögern. „Wir denken letzteres“. Die Markteinführung für solche Systeme würde länger dauern, als geplant. Hochautomatisiertes Fahren der Level 4 und 5 rückten in den Hintergrund.
Deutlich schwieriger haben es demnach nun vor allem die vielen neuen Wettbewerber, die in dem Geschäftsfeld Fuß fassen wollen. „Viele neuen Lieferanten tummeln sich am Markt. Von denen werden nicht alle überleben.“ Denn „Autonom“ funktioniere vor allem über Netzwerke von OEMs, Zulieferern und anderen Anbietern. Wer nicht eingebunden ist, fliegt deutlich schneller vom Markt.
Anbieter für Carsharing unter Druck
Und dann sind da noch die Mobiltätsdienste. „Die Finanzen waren schon vor der Krise schlecht“, sagt Kleinfeld. Die großen Anbieter haben massive Verluste gemacht und hätten jetzt eine Phase erreichen müssen, in der Profite in den Vordergrund rücken. Die Bereitschaft der Kunden für Carsharing oder Ridehailing sei Pandemie-bedingt immens eingebrochen. Carsharing ist Kleinfeld zufolge davon stärker betroffen als Ridehailing. „Carsharing wird aus unserer Sicht kaum noch wachsen.“ Nun komme es darauf an, wie lange die Unternehmen die Durststrecke durchhalten können.
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