CO2-Bilanzierung E-Mobilität: „Deutschland verschenkt seine Kernkompetenzen“

Von Claus-Peter Köth

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Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) bezeichnet die europäische CO2-Gesetzgebung als „grässlich rückständig“. Ein fairer Vergleich zwischen Antriebsformen braucht mindestens eine sogenannte Well-to-Wheel-Betrachtung. Dann hätten auch hybridisierte Verbrenner mit Refuels eine Chance.

Welcher Antrieb ist „richtig“? Ein fairer Vergleich braucht mindestens eine sogenannte Well-to-Wheel-Betrachtung.
Welcher Antrieb ist „richtig“? Ein fairer Vergleich braucht mindestens eine sogenannte Well-to-Wheel-Betrachtung.
(Bild: Rainer Haeckl/BMW)

Herr Prof. Koch: Sie haben jüngst gesagt, dass wir in der EU rückständig seien, was die CO2-Gesetzgebung im Verkehr angehe. Die modernste Gesetzgebung werde derzeit in China erarbeitet – und zwar eine ganzheitliche ökobilanzierte Umweltgesetzgebung. Was sind die wesentlichen Unterschiede?

Zunächst einmal ist es per se vernünftig, wenn wir uns in Europa auf das Ziel geeinigt haben, bis 2050 quasi eine CO2-Neutralität zu erreichen und wir den vom Weltklimarat IPCC erläuterten CO2-Restbudgetansatz von 420 Milliarden Tonnen CO2-Ausstoß ernst nehmen. Leider tut die Politik genau das Gegenteil: Die in Europa geltende Tank-to-Wheel-Gesetzgebung betrachtet nur einen Teilbereich in der Energiewirkungsgradkette eines Fahrzeugs – und zwar vom Zeitpunkt der Energieaufnahme an der Ladesäule bis zur Entladung. Es werden also die Nutzung des Kraftstoffs im Fahrzeug sowie die Emissionen im Fahrbetrieb beschrieben. Die Kraftstoffbereitstellung hingegen findet keine Berücksichtigung, geschweige denn die Produktion und das Recycling der Fahrzeuge sowie die Folgeeffekte der Infrastruktur. Konkret bedeutet das: Ein 2,5-Tonnen-SUV gilt als gut und CO2-frei im Betrieb, sobald es batterieelektrisch angetrieben wird, ein 1-Tonnen-Kleinwagen mit Verbrennungsmotor ist per se schlecht. Das ist fernab jeder Vernunft und in der Tat grässlich rückständig.