Automobilzulieferer Elring Klinger: „Der Klimaschutz muss erstmal in den Hintergrund treten“

Autor / Redakteur: Claus-Peter Köth / Jens Scheiner

Elring Klinger konnte seinen Umsatz im Jahr 2019 entgegen den Markttrend leicht steigern. Für einen Ausblick 2020 sieht sich der Zulieferer aufgrund der Coronavirus-Pandemie derzeit außer Stande. Der Hochlauf der Wirtschaft hat für CEO Stefan Wolf oberste Priorität.

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(Bild: Elring Klinger)

Bereits ohne die aktuellen Entwicklungen im Zuge der Coronavirus-Pandemie hatte der Automobilzulieferer Elring Klinger aufgrund der konjunkturellen Abkühlung mit einem herausfordernden Jahr 2020 gerechnet. Durch die tiefgreifenden Maßnahmen der Regierungen weltweit zur Eindämmung der Virusausbreitung hat sich die Situation jedoch verschärft. Die Pandemie werde CEO Stefan Wolf zufolge „deutliche Spuren in der wirtschaftlichen Konjunktur hinterlassen, insbesondere in der Automobilbranche“. Wolf: „Das Coronavirus hat Deutschland, Europa und die Welt voll im Griff und breitet sich weiter dramatisch aus. Der Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihrer Angehörigen hat für uns oberste Priorität. Frühzeitig haben wir umfangreiche Maßnahmen zur Prävention definiert.“

Zum Mitarbeiterschutz gehöre auch die Arbeitsplatzsicherheit. Ziel bleibe es, die ökonomischen Auswirkungen möglichst gut abzufedern. Aktuell reagiert Elring Klinger mit dem Abbau von Stundenkonten auf die Werksschließungen, ab Ende dieser Woche folgt die Kurzarbeit in weiten Teilen des Unternehmens mit einer Quote von 50 Prozent. Ausgenommen ist das weiterhin gut laufende Ersatzteilgeschäft. „Mit unserer Eigenkapitalquote von 42 Prozent werden wir mit Kurzarbeit relativ lange durchhalten – zur Not müssen wir die Quote auf 70 bis 100 Prozent erhöhen. Über einen Stellenabbau in der Stammbelegschaft denken wir aktuell nicht nach“, so Wolf. Die befristeten Verträge der etwa 200 Zeitarbeiter hingegen würden zum Halbjahr bzw. Jahresende auslaufen.

China ist Europa voraus

Angesprochen auf mögliche Zukunftsszenarien sagte Wolf: „Die Frage ist ja nicht nur wie tief es nach unten geht, sondern auch wie lange dieser Zustand andauert.“ In China etwa seien alle Werke von Elring Klinger wieder angelaufen, die Auslastung teilweise schon wieder bei 100 Prozent. In Deutschland rechnet er mit einem Produktionsstart Ende April - zunächst mit einem Hochlauf auf 30 bis 40 Prozent der Kapazitäten. Und wenn alles gut läuft auf 100 Prozent bis Ende Juni. Voraussetzung ist, dass es den OEMs und Systemlieferanten gelingt die Lieferketten aufrecht zu halten. Wolf rechnet hier mit der einen oder anderen Stützungsmaßnahme von Seiten Elring Klingers – für finanzschwache, kleinere Unterlieferanten.

<blockquote class="inf-blockquote">Nach Beendigung der Coronakrise muss sich die Industrie ganz intensiv die Frage stellen, ob wir in Bezug auf die Lieferketten noch gut aufgestellt sind, die Strategie: billig, billig – verbunden mit der extremen Abhängigkeit von Asien – stoße offensichtlich an Grenzen.</blockquote>

Wenig optimistisch zeigte sich Stefan Wolf, der auch Chef des Arbeitgeberverbands Südwestmetall und Mitglied im VDA-Vorstand ist, dahingehend, dass die Automobilindustrie möglichst schnell aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommt: „Ohne Anreizprogramme der Bundesregierung – auch für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – wird das nicht funktionieren. Wir brauchen eine Stimulation, damit die Menschen wieder in die Autohäuser gehen und Fahrzeuge kaufen." Der Klimaschutz müsse im Zuge dessen erstmal in den Hintergrund treten. „Ich bin absolut für Klimaschutz, die Frage ist nur, wo liegt die oberste Priorität. Für mich ist das Thema Nummer 1, die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen, davon leben wir alle. Und erst wenn die Unternehmen wieder Geld verdienen, können sie auch wieder Produkte entwickeln und produzieren, die dem Klimaschutz helfen.“

Alles in allem rechnet Wolf durch die Coronakrise auch mit einer langsameren Umstellung der Branche auf die E-Mobilität. Ungeachtet dessen treibe man jedoch seine Entwicklungen rund um den Antriebsstrang der Zukunft weiter voran. Die Entwicklungsergebnisse sowie die bereits erhaltenen Aufträge in der Batterie- und Brennstoffzellentechnologie sowie des elektrischen Antriebsstrangs böten die Chance, das große Potenzial der neuen Antriebstechnologien für den Konzern zu nutzen.

Leichtes Wachstum in einem schwierigen Umfeld

Schon vor der Corona-Krise waren die Marktbedingungen in der Automobilbranche alles andere als einfach. So schrumpfte die weltweite Automobilproduktion im Jahr 2019 um 5,6 Prozent. Elring Klinger konnte gemäß Stefan Wolf in diesem schwierigen Umfeld seinen Umsatz um 1,6 Prozent steigern und insgesamt 1.727 Millionen Euro erlösen (2018: 1.699 Mio. Euro). Ohne Währungs- und Akquisitionseffekte stieg der Umsatz um 0,5 Prozent an. Das Ziel, den Markt in seinem Wachstum organisch um 2 bis 4 Prozentpunkte zu übertreffen, habe der Konzern damit klar erreicht. Dazu trug laut Wolf vor allem die Region Nordamerika bei, die ein Umsatzplus von 25,1 Prozent zu verzeichnen hatte. In der Region Asien-Pazifik hingegen lagen die Erlöse mit -1,4 Prozent leicht unter dem Vorjahr, allerdings war hier der Markt mit -8,2 Prozent auch erheblich schwächer. In Deutschland und im übrigen Europa war der Umsatz mit -7,8 Prozent bei einem Markt von -4,2 Prozent ebenfalls rückläufig.

„Die Marktgegebenheiten waren 2019 insgesamt nicht einfach, aber durch unsere innovativen Produkte konnten wir weiter wachsen. Gleichzeitig haben wir ein Maßnahmenpaket zur Effizienzsteigerung umgesetzt, dass unsere Finanzkennzahlen erkennbar verbessert hat. Gerade durch den deutlich gestiegenen Cashflow konnten wir die Nettofinanzverschuldung deutlich zurückführen und den Konzern für die Zukunft stärken“, erklärte Wolf. Das Maßnahmenpaket umfasste neben einem disziplinierten Ansatz bei den Investitionen vor allem Verbesserungen beim Nettoumlaufvermögen (Net Working Capital).

Forderungen wurden reduziert, Zahlungsziele bei den Verbindlichkeiten ausgeweitet und die Vorräte optimiert. Investitionen in Sachanlagen und Finanzimmobilien tätigte der Konzern fokussiert, sodass die Quote mit 5,3 Prozent des Umsatzes deutlich unter dem Vorjahr mit 9,6 Prozent lag. Zu den Investitionen gehörte das in Dettingen/Erms errichtete neue Technologiezentrum für Batterie- und Brennstoffzellentechnologie sowie der Aufbau einer Serienfertigung für komplette Batteriesysteme am Standort Thale in Sachsen-Anhalt.

Der Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen zeigte sich 2019 in einer deutlich positiven Entwicklung des operativen Free Cashflows. Er konnte um 262 Millionen Euro auf 176 Millionen Euro (2018: -86 Mio. Euro) verbessert werden. Ferner zeigte das Programm auch auf der Ergebnisseite erste Wirkung. Mehrbelastungen durch das hohe Rohstoffpreisniveau, die US-Antidumping- und -Ausgleichszölle sowie gestiegene Personalkosten wirkte der Konzern seit Beginn 2019 durch Kostensenkungen entgegen

Insgesamt konnten die Ergebnismargen im Jahresverlauf sukzessive von 1,6 Prozent im ersten Quartal auf 5,9 Prozent im vierten Quartal 2019 gesteigert werden. Darin enthalten ist auch der Verkauf eines Gewerbeparks in Ungarn, der im letzten Quartal zu einem sonstigen betrieblichen Ertrag von 8,6 Millionen Euro führte. Insgesamt lag das EBIT vor Kaufpreisallokation im Jahr 2019 mit 63,2 Millionen Euro (2018: 100,2 Mio. Euro) und einer Marge von 3,7 Prozent (2018: 5,9 Prozent) am unteren Rand der anvisierten Bandbreite von rund 4 bis 5 Prozent. Zu berücksichtigen sind im Vorjahr allerdings die Erlöse aus dem Verkauf von zwei Tochtergesellschaften.

Vor dem Hintergrund der Ergebnissituation 2019 und den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise wird die Dividende für das Geschäftsjahr 2019 ausgesetzt – ebenso wie der Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr. Das sei aufgrund der hohen Dynamik der Corona-Pandemie derzeit schlichtweg nicht möglich – ursprüngliche Prognosen Makulatur.

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