Oldtimer Fahrbericht Volvo 164: Gehobene Klasse

Autor / Redakteur: SP-X / Thomas Günnel

Der 164 ist Volvos erste Nachkriegsentwicklung einer gehobenen Mittelklasse mit sechs Zylindern in Reihe. So exotisch die stattliche Limousine heute auch ist, sie ist ein zuverlässiger Begleiter und demnach hervorragend geeignet als Oldie für den Alltag.

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Der 164 ist Volvos erste Nachkriegsentwicklung einer gehobenen Mittelklasse. Die stattliche Limousine ist heute exotisch – und ein zuverlässiger Begleiter als Oldie für den Alltag.
Der 164 ist Volvos erste Nachkriegsentwicklung einer gehobenen Mittelklasse. Die stattliche Limousine ist heute exotisch – und ein zuverlässiger Begleiter als Oldie für den Alltag.
(Foto: SP-X/Patrick Broich)

Einen Volvo 164 im Straßenbild zu erwischen, ist inzwischen eine ziemlich seltene Angelegenheit geworden – außer man fährt gerade an einem Clubtreffen vorbei. Doch die Szene ist überschaubar; die Anzahl der Fahrzeuge, die der Volvo 164/140 Club e.V. registriert hat, ist deutlich zweistellig. Und auch in den einschlägigen Fahrzeugbörsen tummeln sich kaum mehr als eine Hand voll Exemplare. Henning Köster, einer der wenigen Besitzer, winkt ab und empfiehlt bei Interesse die Beziehungen der Szene statt klassischer Annoncen. Viel Auswahl gibt es ohnehin nicht. Schade, denn die erste Nachkriegs-Neuheit der Marke im Segment der Businessklasse ist erstaunlich modern für eine Sechzigerjahre-Entwicklung. Und natürlich luxuriös. Wer hatte damals schon Servolenkung und Lederpolster? Letztere war selbst bei vielen Mercedes-Modellen eher die Ausnahme, stattdessen mussten Velours-Bezüge herhalten. Wir haben uns einer frühen 164er-Serie gewidmet und eine Ausfahrt mit der 4,72 m langen Reiselimousine unternommen. Unter dem Blech steckt der drei Liter große Reihensechser in Vergaserversion mit beschaulichen 96 kW/130 PS.

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Choke, Reihensechser und Heckantrieb

Als Kraftübertragung dient hier ein manuelles Getriebe mit vier Gängen und Overdrive-Funktion – also faktisch stehen fünf Übersetzungen zur Verfügung. Der geschulte Blick auf den Volant zeigt dem Kenner, dass es sich um eine Ausgabe der ersten Jahre handelt. Es gab auch Zeiten, da montierten die traditionell sicherheitsbewussten Schweden noch Lenkräder ohne mächtige Pralltöpfe. So greift die Hand in einen dürren Kranz; viel Kurbelei ist aber nicht notwendig, schließlich sorgt die später serienmäßige Servopumpe für eine recht leichtgängige Arbeitsweise. Ein bisschen Choke beim Kaltstart, und der Reihensechser kommt auf Touren. Auch wenn es in Sachen Leistungsgewicht gar nicht schlecht aussieht – die heckgetriebene Limousine ist ist kein Autobahnjäger.

Rundum Scheibenbremsen

Der Blick in den Fahrzeugschein offenbart eine Leermasse von rund 1,3 Tonnen – da irrt sich mancher Schätzer ob der Binsenweisheit, dass die alten Skandinavier nicht an der Blechstärke geknausert haben. Holzapplikationen in stattlicher Menge demonstrieren die Zugehörigkeit zum automobilen Luxussegment. Die hervorragende Beschriftung der zwar recht wahllos verteilten Knöpfchen deutet einen Hauch von Fortschritt an, bei vielen Jahrgangsgenossen ist Rätselraten an der Tagesordnung. Auch die an sämtlichen Rädern zum Einsatz kommende Scheibenbremse bekundet Fortschritt – und spiegelt einmal mehr das früher bereits umfassende Sicherheitsdenken der Marke wider. Aber jetzt wird losgefahren. Der erste Gang rastet geschmeidig ein, und das gleiche Adjektiv passt auch zu dem obligatorischen Dreiliter-Motor. Dieser klingt äußerst zurückhaltend und arbeitet bis in höhere Drehzahlregionen mechanisch vibrationsarm – angesichts der ausgeglichenen Massenkräfte zweiter Ordnung auch kein Wunder.

Overdrive per Lenksäulenhebel

Bis zum vierten Gang mutet alles ganz konventionell an, dann aber folgt ein Bedienschema, das man eigentlich von Blinker oder Scheibenwischer kennt: Per Lenksäulenhebel wird der Overdrive, also im Grunde eine lang ausgelegte fünfte Fahrstufe, aktiviert.Vorher bitte das Kuppeln nicht vergessen, dann den längsten Hebel am Lenkrad entweder nach oben oder unten führen – funktioniert erstaunlich leichtgängig. Unser Probefahrt-Exemplar ist mit den GT-Instrumenten aus dem Zubehör ausgestattet – dann gibt es statt Bandtacho Rundskalen und auch einen Drehzahlmesser. Der sieht sportlicher als, als der mit hinterer Starrachse ausgerüstete Viertürer in Wirklichkeit ist.

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