Wirtschaft GAZ Group: Modernisierung und Kooperationen

Von Thomas Günnel

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Die GAZ Group ist Russlands größter Automobilhersteller. Im Jahr 2009 stand das Unternehmen krisenbedingt kurz vor der Insolvenz. Heute ist es solide aufgestellt – mit neuen Fahrzeugen und wettbewerbsfähiger Produktion.

Die GAZ Group ist Russlands größter Automobilhersteller. Noch im Jahr 2009 setzte die Wirtschaftskrise dem Unternehmen zu. Heute steht es solide da – mit neuen Fahrzeugen und wettbewerbsfähiger Produktion.
Die GAZ Group ist Russlands größter Automobilhersteller. Noch im Jahr 2009 setzte die Wirtschaftskrise dem Unternehmen zu. Heute steht es solide da – mit neuen Fahrzeugen und wettbewerbsfähiger Produktion.
(Foto: Thomas Günnel)

Wolga und Tschaika waren zwei auch hierzulande bekannte Vertreter des russischen Automobilherstellers Gorki Automobilwerk, kurz GAZ. Heute produziert das Unternehmen keine Pkw mehr. Stattdessen hat sich GAZ mit leichten und mittelschweren Nutzfahrzeugen, Bussen und schweren Lkw zum führenden Nutzfahrzeugproduzenten Russlands entwickelt. „Wir fertigen an insgesamt 13 Standorten mit über 44.000 Mitarbeitern“, sagt Wadim Sorokin, Präsident und Geschäftsführer der GAZ Group. „Zählt man artverwandte, verbundene Unternehmen mit, sind es mehr als 400.000.“ In den vergangenen fünf Jahren investierten GAZ und seine Kooperationspartner rund 36 Milliarden Rubel in neue Techniken und Produkte. Nach aktuellem Währungskurs (Stand 29. Oktober) sind das etwa 510 Millionen Euro.

Neue Fahrzeuggenerationen

Der Hauptsitz und zugleich das größte Montagewerk ist in Nischni Nowgorod, gut 400 Kilometer östlich von Moskau. Auf einer Fläche von über drei Millionen Quadratmetern arbeiten hier mehr als 20.000 Menschen. Rund 3.000 von ihnen sind in Presswerk, Rohbau, Lackiererei und Montage mit der Fertigung des GAZ-Modells „Gazelle Next“ beschäftigt. Die Gazelle Next ist ein 3,5-Tonner, den es in diversen Ausbauvarianten gibt: zum Beispiel mit Einzel- und Doppelkabine, als Pritschen- oder Kofferfahrzeug. Die Fertigung der neuen, selbst entwickelten Fahrzeuggeneration mit dem Zusatz „Next“ begann im Jahr 2013. Bereits im Jahr 2014 setzte das Unternehmen 13 neue Produktanläufe der Modellreihe um.

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Im Jahr 2016 will GAZ die Modellpflege abschließen und mit den neuen Modellen weitere Marktsegmente erschließen. Die Modellpallette umfasst neben leichten Transportern auch Busse für 17 bis 53 Personen, den mittleren Lkw Gazon und den schweren Lkw Ural, der im Ural Automobilwerk in Miass etwa 1.700 Kilometer östlich von Moskau entsteht. Neben Fahrzeugen entstehen in Nischni Nowgorod zudem Fahrzeugbauteile wie Triebwerke, Steuersysteme, Karosseriebauteile oder Werkzeuge.

Moderne Produktionsanlagen

Den Produkt-Neuanläufen vorausgegangen war eine umfangreiche Modernisierung der Produktionsanlagen in Nischni Nowgorod – die zugleich die Grundlage bildete für die Kooperation der GAZ Group mit deutschen Automobilherstellern: Das Werk fertigt neben den eigenen Modellen seit dem Jahr 2013 für Mercedes-Benz den Sprinter Classic, für Skoda den Octavia und für Volkswagen den Jetta. Die Produktion des Skoda Yeti startete im Jahr 2012. Alle Modelle sind ausschließlich für den russischen Markt vorgesehen. Volkswagen hatte ursprünglich mit bis zu 100.000 Fahrzeugen jährlich geplant, die Schwäche des Rubels drückte diese Planung auf aktuell rund 40.000 Fahrzeuge jährlich. Daimler vermeldete im Juni dieses Jahres den 10.000. montierten Sprinter Classic.

Hohe Fertigungstiefe

Die Fertigung der GAZ-Modelle unterscheidet sich der geringeren Stückzahl entsprechend von deutschen Produktionslinien. Ein deutlich geringerer Automatisierungsgrad und eine höhere Fertigungstiefe sind die auffälligsten Punkte. So entstehen zum Beispiel die Fahrzeugsitze an der Montagelinie: Sitzgestell, Federn und Schaumstoffpolster – alles steht einzeln an der Linie und wird vor Ort montiert. Der Produktion zugrunde liegt das Toyota-Produktionssystem, das GAZ mit Beratern des japanischen Automobilherstellers im Jahr 2003 etablierte.

Von der Gazelle Next entstanden seit dem Produktionsbeginn im Frühjahr 2013 rund 50.000 Einheiten. Testfahrten mit dem Modell auf der unternehmenseigenen Teststrecke zeigten dann auch den Fortschritt im russischen Automobilbau – und die Unterstützung altbekannter Zulieferer wie ZF oder Bosch, die Lenkung und Bremsen liefern.

Die Gazelle fährt sich solide, die Verarbeitung stimmt und steht Transportern anderer Hersteller in diesem Segment in nichts nach. Der Innenraum ist funktional aufgebaut, die verwendeten Materialien wirken robust.

Eine Besonderheit des Cockpits: Es ist in vielen weiteren Modellen des Unternehmens identisch, etwa beim nächst größeren Modell Gazon bis hin zum schweren Lkw Ural. Standardisierte Bauteile sind zudem das Next-Fahrerhaus oder das Fahrgestell. Die Motoren in den leichten GAZ-Nutzfahrzeugen sind jedoch keine Eigenentwicklungen, sondern stammen vom britischen Motorenhersteller Cummins.

Motorenwerk in Jaroslavl

Im GAZ-eigenen Motorenwerk in Jaroslavl etwa 400 Kilometer nördlich von Moskau produziert GAZ dennoch eigene, schwere Dieselmotoren. Das Werk markierte den Beginn des russischen Automobilbaus, im kommenden Jahr feiert es sein 100-Jähriges Bestehen. Im Inneren ist davon nichts spürbar: Rund 300 Millionen US-Dollar investierte die GAZ Group, die Anlagentechnik vereint ähnlich dem Werk in Nischni Nowgorod das who´s who deutscher Maschinen- und Anlagenbauer: Grob, Carl Zeiss Messtechnik, Thyssen Krupp Krause, Hüller Hille, Dürr, Heller, DGS System oder Liebherr – die Fertigung entspricht durchweg deutschen Qualitätsstandards. Rund 4.800 Mitarbeiter beschäftigt die Gesellschaft „Avtodiesel“ hier.

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Die wichtigste eigene Motorenreihe ist die sogenannte YMZ-530: Sie ist in den Abgasnormen Euro-4 und -5 erhältlich und umfasst Vier- oder Sechszylinder-Reihenmotoren mit Hubräumen zwischen 4,4 und 6,6 Litern. Die Leistung reicht von 120 bis 330 PS. Entstanden sind die Motoren in dreijähriger Entwicklungszeit in Zusammenarbeit mit der österreichischen AVL List. Neben den schweren GAZ-Dieseln produzieren etwa 100 Mitarbeiter den Vierzylinder-Reihendieselmotor mit 2,2 Litern Hubraum und 109 PS in Euro 4- und 5-Ausführung für den Sprinter Classic.

Umfangreiche Motorenpalette

Der Produktumfang in Jaroslavl umfasst neben der YMZ-530-Motorenfamilie schwere Sechs-, Acht-, und Zwölfzylinder-Dieselmotoren (Reihe und V) mit Hubräumen zwischen elf und 26 Litern. Die Leistung reicht von 150 bis zu 800 PS. Die Einsatzgebiete der Motoren sind vielfältig: Sie finden sich neben Lkw auch in Mähdreschern, Baggern oder Lokomotiven. Rund 60 Prozent aller hergestellten Motoren kommen in Fahrzeugen der GAZ Group zum Einsatz. Andere Abnehmer sind etwa das Minsker Automobilwerk, das Lkw und Busse produziert, oder Hersteller von Traktoren und landwirtschaftlichen Fahrzeugen.

Im kommenden Jahr will Avtodiesel zudem etwa 400 bis 500 Erdgasmotoren produzieren – ab April 2016 erweitert GAZ seine zugehörige Fahrzeugflotte. Auf dem Werksgelände in Nischni Nowgorod hat der Hersteller zudem eine selbst entwickelte Erdgas-Tankstelle errichtet, an der zum Beispiel die städtischen Erdgas-Busse tanken. „Das ist lukrativer, als Autos zu verkaufen“, scherzt Sorokin.

Steigende Exportanteile

Die wichtigsten Märkte für GAZ sind neben Russland laut Sorokin die GUS-Staaten, Aserbaidschan, Armenien, die Türkei, Ägypten, Kuba, Südamerika, Iran und Irak. Exporte nach China oder Westeuropa sind demnach nicht geplant. Dennoch steigt die Exportquote: Waren es im Jahr 2013 noch 23 Länder, in die GAZ exportierte, verkaufte GAZ seine Produkte ein Jahr später bereits in 33 Länder. Die wichtigsten anstehenden Projekte sind laut Sorokin der Gazelle Next Kastenwagen, dessen Verkäufe bereits im November dieses Jahres starten sollen.

Außerdem die Produktion des Busses Vector Next und des Ural Next. „Das Schlüsselprojekt für unsere Powertrain-Sparte sind die Euro-5-Motoren“, sagt Sorokin. „Zu Beginn der Fertigung der YMZ-530-Motoren kamen 90 Prozent der Komponenten aus dem Ausland. Unser Ziel ist eine maximale Lokalisierung der Komponentenfertigung.“ Ab dem Jahr 2016 will GAZ außerdem eigene Euro-6-Motoren entwickeln und später in Jaroslavl produzieren.

Mutterunternehmen Russian Machines

Das Mutterunternehmen der GAZ Group ist Russian Machines – selbst wiederum ein Teil von Basic Elements, einem russischen Mischkonzern, der zu 100 Prozent dem Oligarchen Oleg Deripaska gehört. Etwa 75 bis 80 Prozent der Aktivitäten des Konzerns entfallen auf die GAZ Group. Weitere Felder innerhalb von Russian Machines sind zum Beispiel die Geschäftsbereiche „Railroad Equipment Engineering“ oder „Road Construction Equipment“. Weitere Bereiche umfassen Automobilersatzteile, Landwirtschaft und Luftfahrt und Erdgas-Infrastrukturprojekte.

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