China Market Insider Lieferketten in China erneut unter Druck – Debatte um mehr Lokalisierung

Von Henrik Bork*

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Je länger die Automobilindustrie in Europa, Nordamerika und Japan zum Stillstand gezwungen wird, desto mehr gerät die gerade erst einsetzende Erholung in China wieder unter die Räder. Geely-Präsident Li Shufu fordert eine stärkere Lokalisierung der Lieferkette.

Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet die »Automobil Industrie« regelmäßig über den chinesischen Automobilmarkt.
Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet die »Automobil Industrie« regelmäßig über den chinesischen Automobilmarkt.
(Source: Deposit Photos)

Chinas Autoindustrie ist zunehmend von Engpässen in den Lieferketten bedroht. Zahlreiche hochwertige Komponenten können nicht nach China importiert werden, solange die Produktion in Europa, Nordamerika und Japan durch die Coronakrise eingeschränkt ist. Die globalen Produktionsstopps könnten schon bald die gerade einsetzende Erholung der in China tätigen OEMs bedrohen, auch die von internationalen Konzernen wie Tesla, BMW und Volkswagen.

„Anfangs waren es chinesische Automobilzulieferer, die wegen der Covid-19-Pandemie die globale Wertschöpfungskette beeinträchtigt haben. Jetzt hat sich die Situation ins Gegenteil verkehrt“, zitierte die Wirtschaftszeitung Jingji Ribao den Vizedirektor des Think Tanks CCID in Peking, Li Yang.

China: Fast 30 Prozent der Teile aus Deutschland

Die Sorgen in China um wichtige Zuliefererteile erinnern erneut daran, wie vernetzt die Lieferketten in der internationalen Automobilindustrie sind. Dem China Automotive Technology and Research Center zufolge, hat China im vergangenen Jahr Fahrzeugkomponenten für 33,4 Milliarden Euro importiert. 9,4 Milliarden oder 28 Prozent davon kamen alleine aus Deutschland, 27 Prozent aus Japan und sechs Prozent aus Südkorea.

„Wenn die Zulieferer in diesen Ländern die Produktion für längere Zeit anhalten, trifft das zeitversetzt auch die chinesische Autoindustrie“, schreibt die Zeitung Guangzhou Ribao. In den ersten zwei Monaten des Jahres sei der Import von Autoteilen nach China um über fast 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken, zeigen Statistiken des chinesischen Autoverbandes CPCA.

Die Lagerbestände in Chinas Autoindustrie gehen zu Ende

Noch federn existierende Lagerbestände die heraufziehende Krise ab, aber die Zeit läuft: Typischerweise haben die Unternehmen in China Inventar für acht Wochen in Reserve, doch besonders für hochwertige Komponenten wie Computer-Chips oder spezielle Präzisionsteile kann es bisweilen auch deutlich weniger sein.

In Teilen der chinesischen Automobilindustrie hat daher eine Debatte begonnen, ob die Produktion vieler Teile künftig nicht auch in China möglich wäre. „Wie kann Chinas Autoindustrie eine bessere Lokalisierung von wichtigen Komponenten erreichen und wirkliche Schlüsseltechnologien liefern“, fragte jüngst Geely-Präsident Li Shufu in einer lokalen Wirtschaftszeitung. Nur wenn das Land diese Hürden nehme, könne es „von einem großen Autoland zu einem mächtigen Autoland“ werden, sagte Li.

Andere chinesische Industrie-Insider beeilten sich jedoch, solche Gedanken als Zukunftsmusik abzutun. „Es gibt erst sehr wenige elektronische Komponenten aus China, die wir verbauen könnten, hier sind wir meist auf ausländische Lieferanten angewiesen“, zitierte das Fachmedium Gasgoo den Manager eines großen chinesischen Zulieferers.

Technologie-Rückstand der chinesischen Autoproduktion

Derzeit gibt es China noch in vielen Teilen der Automobilproduktion einen beträchtlichen Technologie-Rückstand. Etwa bei Halbleitern, aber nicht nur dort. Gleitlager für Turbolader kommen aus England, Kunststoffkleber aus Italien. Auch bei Hochgeschwindigkeitslagern, Systemen zur Kollisionsvermeidung (ADAS), Ladezustands-Komponenten (SOC) und anderen Schlüsselteilen von „Smart Cars“, sowie bestimmten Chassis-Teilen, um nur einige Beispiele zu nennen, sind die Autobauer in China nach wie vor auf Importe angewiesen. Integrierte Schaltkreise kommen aus Südkorea, optische Qualitätskomponenten aus Japan.

Die Gründe für die Internationalität der Lieferketten sind vielfältig: Einerseits fehlt China bei einigen Komponenten das nötige Produktions-Know-how, andererseits wäre die Herstellung mancher Komponenten vor Ort aufgrund zu niedriger Stückzahlen schlichtweg nicht wirtschaftlich.

Hersteller probieren alles, um Teile rechtzeitig ans Band zu kriegen

Doch während die Coronakrise nun viele Lieferketten immer weiter durcheinander bringt, scheuen manche Firmen weder Kosten noch Mühen, um ihre Bänder am Laufen zu halten. Es ist von Autoherstellern zu hören, die kritische Teile in Reisekoffern packen und in Passagiermaschinen ein- oder ausfliegen lassen – wo dies noch möglich ist. Andere, wie der E-Auto-Newcomer Weltmeister (WM Motor), lassen verlauten, sie seien offen für Angebote qualifizierter Zulieferer, die bestimmte Anforderungen an Qualität und Preis erfüllten.

Über den Autor

*Henrik Bork ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.

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