Nutzfahrzeuge Oberleitungs-Stromabnehmer an Lkw nachrüsten

Von Thomas Günnel Lesedauer: 3 min

Anbieter zum Thema

Herkömmliche Lkw umrüsten auf Oberleitungs-Stromabnehmer: Ein modularer Baukasten der RWTH Aachen soll das ermöglichen. Zwei Sattelzugmaschinen haben die Forscher bereits praktisch erprobt.

Herkömmlich angetriebene Lkw umrüsten auf Oberleitungsbetrieb: An der RWTH Aachen ist dafür ein modularer Baukasten entstanden.
Herkömmlich angetriebene Lkw umrüsten auf Oberleitungsbetrieb: An der RWTH Aachen ist dafür ein modularer Baukasten entstanden.
(Bild: RWTH Aachen)

Lkw mit Verbrennungsmotoren elektrifizieren mit einem Oberleitungsstromabnehmer, dem sogenannten Pantographen: Mit diesem Projekt hat sich der Lehrstuhl „Production Engineering of E-Mobility Components“, PEM, der RWTH Aachen beschäftigt. Während der mehrjährigen Forschung hat das PEM-Team zwei Sattelzugmaschinen umgerüstet. Eine offizielle Demofahrt führte der Lehrstuhl laut einer Mitteilung auf der „Siemens Mobility“-Teststrecke in Groß Dölln nahe Berlin durch. Zuvor fanden Fahrten auf Teststrecken mit Oberleitungsinfrastruktur statt, um die Forschungsergebnisse zu validieren.

„Aufgrund des hohen Anteils des straßengebundenen Gütertransports am deutschlandweiten CO2-Ausstoß muss auch der Lkw-Verkehr dringend dekarbonisiert werden“, sagt PEM-Leiter Professor Achim Kampker: „Schnellstmöglich funktioniert das durch eine Umrüstung der Bestandsfahrzeuge.“ Dafür hat das Team der Hochschule einen modularen Baukasten mit Batterie und Oberleitungsstromabnehmer konzipiert. Die Antriebsbatterie treibt den Lkw in dem Konzept auf Zubringerfahrten an. Der Pantograph überträgt Strom auf der Langstrecke an den Elektromotor.

Die Batterie der umgerüsteten Lkw hat eine Kapazität von 280 Kilowattstunden und 700 Volt Nennspannung. Die batterieelektrische Reichweite beziffert das Team auf 180 Kilometer, „bei maximaler Nutzlast“. Die Batterie ist schnellladefähig. Geladen werden kann sie während der Fahrt mittels Oberleitung, oder an Ladestationen. Der Axialflussmotor leistet rund 500 Kilowatt und hat ein Drehmoment von rund 2.400 Newtonmetern. Der umgerüstete Sattelzug hat ein zulässiges Gesamtgewicht von 35 Tonnen.

Aufbau des Pantographen-Baukastens

Im ehemaligen Motorraum des Lkw befinden sich das Thermomanagement und die weitere Peripherie. Wesentliche Komponenten der Kühlsysteme und der Leistungselektronik sind laut des Teams kompakt in einer Box miteinander vereinigt. Die Kühlsysteme versorgen die Batterie, den Motor und die Nebenaggregate. In der Box sind zudem die Fahrzeugsteuerung und weitere Nebenaggregate platziert. Die Leistungselektronik transformiert primär die Spannung des Hochspannungsbordnetzes auf weitere Spannungsniveaus.

Bildergalerie
Bildergalerie mit 5 Bildern

Der Pantograph ist an der Rückseite der Fahrerkabine angebracht. Im Inneren dieses sogenannten „Base-Frame“ befindet sich die externe Leistungselektronik der Pantographeneinheit für die elektrische Verbindung zwischen Oberleitung und Fahrzeug. Zusätzlich ist dort die Steuerungslogik integriert. Mechanisch ist der Base-Frame laut des Entwicklungsteams so ausgelegt, dass er auch bei einem Unfall die Komponenten der Oberleitungsanbindung sicher im Fahrzeug hält.

Für das Verteilen der Ströme im Hochspannungsbordnetz ist die „Power Distribution Unit“, PDU, zuständig. Die Hauptanschlüsse verbinden die Batterie und die Oberleitung und den Motor. Zusätzlich versorgt die PDU Nebenverbraucher wie die Kühlsysteme oder das Niederspannungsbordnetz elektrischer Energie. Die PDU ist ausgelegt auf eine Systemspannung von 800 Volt und Dauerströme von bis zu 600 Ampere.

„Mit Hilfe unseres Baukastenprinzips lassen sich Sattelzugmaschinen und andere schwere Fahrzeuge je nach Anwendungsfall elektrifizieren, indem der Antriebsstrang auf Basis der jeweiligen Kundenanforderung konfiguriert wird“, erklärt Fabian Schmitt, Bereichsleiter „Zero Emission Trucks“ am Lehrstuhl PEM.

Drei Teststrecken für Oberleitungs-Lkw in Deutschland

Für den hohen Energiebedarf bestehender Lkw gibt es bislang laut Kampker kein wettbewerbsfähiges Konzept für deren Elektrifizierung. Das Ziel des Projekts „Lebenszykluskostenreduktion im elektrischen Verteilerverkehr durch pantographenbasierte Baukastensysteme für Lastkraftwagen und Sattelzugmaschinen“ (LiVePLuS) war ein wirtschaftlich tragfähiger elektrischer Antriebsstrangs für Fahrzeuge des Schwerlastgüterverkehrs. Das Projekt „LiVePLuS“ endet am 31. Juli. Es wurde gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium.

Bis zum Jahr 2024 fördert das Bundesumweltministerium drei Teststrecken für Oberleitungs-Lkw: im Projekt „eWayBW“ auf einer Bundesstraße in Baden-Württemberg und in den Projekten „ELIS“ und „FESH“ auf Autobahnen in Hessen und Schleswig-Holstein. Dort sind laut des Ministeriums bereits seit 2019 Oberleitungs-Lkw im realen Transportbetrieb im Einsatz.

Das Ministerium unterstützt alle drei Projekte beim Aufbau der Infrastruktur, beim Betrieb der Teststrecken und bei der begleitenden Forschung mit insgesamt rund 72,8 Millionen Euro. Das Land Baden-Württemberg beteiligt sich mit 1,2 Millionen Euro am landeseigenen Projekt.

(ID:49594624)

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung