Systems Engineering Modellbasiert komplexe Systeme simulieren
Moderne Fahrzeuge sind komplex. Um ihre unterschiedlichen Produktbereiche in der Entwicklung zu integrieren, sind neue Simulations-Ansätze notwendig. Eine Möglichkeit kann das so genannte „Model Based Systems Engineering“ sein.
Anbieter zum Thema

Die immer stärkere Zusammenarbeit von Mechanik, Elektronik und Software im Auto erfordert neue Ansätze der Simulation in der Entwicklung: Sie muss im Systemzusammenhang laufen und alle Disziplinen berücksichtigen. Eine Herausforderung hierbei ist laut dem Software-Entwicklungsunternehmen Dassault Systémes die Integration von Funktionen unterschiedlicher Bereiche wie Karosserie, Fahrwerk, Antrieb und Elektrik/Elektronik (EE). „Model Based Systems Engineering“ ist ein Ansatz der virtuellen Integration aller Fahrzeugfunktionen in Verbindung mit dem Verhalten des Gesamtfahrzeugs.
Validierung und Verifikation mit dem Multi-Phasen V-Modell
In einem Beispiel definiert der Systemarchitekt zunächst die Zielindikatoren, dann werden potenzielle technische Lösungen definiert. Daraufhin werden diese Systemlösungen modelliert und simuliert. Im letzten Schritt soll dann die für den Einsatzzweck am besten geeignete Lösung identifiziert werden. Dies geschieht auch in Wechselwirkung mit einem RFLP-Framework (Restriction Fragment Length Polymorphism, eine Methode zum Ermitteln des genetischen Fingerabdrucks), wobei die Zusammenhänge zwischen Anforderungen, Funktionen, logischen Verhaltensbausteinen und den beteiligten physikalischen Teilen immer berücksichtigt und mitgezogen werden. Damit wird es möglich die herkömmliche Welt der Funktionsentwicklung, die sich nach Anforderungen, Funktionen, Logik und den physikalischen Teilen orientiert, mit den neuen virtuellen Methoden zu kombinieren.
Virtualisierung der System-Engineering-Prozesse
Ein Beispielszenario wurde im Oktober 2013 den GAAG (Global Automotive Advisory Group) -Teilnehmern als Szenario für den künftigen Fahrzeugentwurf demonstriert. Es beschreibt laut Unternehmen die durchgängige Implementierung und Validierung der Fahrerassistenzfunktion „Emergency Break Assistance“.
Die Geometrie des Gesamtfahrzeuges wurde dabei in der Software „Catia“ definiert und das zugehörige Steuergerät in Matlab/Simulink modelliert. Um virtuelle Systemintegration und -simulation erfolgreich durchzuführen, müssen die Komponenten „FMI1“-konform (Functional Mock-up Interface) spezifiziert werden. Dadurch können die unterschiedlichen Komponenten in eine virtuelle Integrationsplattform integriert und gleichzeitig simuliert werden.
Das Modell zum Sensor zur Erzeugung von Infrarotstrahlen wurde herkömmlich mit C-Code realisiert. Das Bremsenmodell basiert auf „Modelica“-Fahrdynamik-Bibliotheken, wobei das dynamische Verhalten von Funktionen wie ABS und ESP mit den physikalischen Bremsen und Rädern im Fahrzeugkontext modelliert wird. Im gewählten Szenario war es so laut Unternehmen möglich, frühzeitig Aussagen über die Funktion und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Komponenten abzuleiten, ohne einen physikalischen Prototypen gebaut und getestet zu haben.
Medienbrüche vermeiden
Ein wichtiger Aspekt bei der Anwendung dieser neuen Methoden ist laut Dassault, dass die Nutzung der zugrundeliegenden Entwicklungsprozesse idealerweise ohne Medienbrüche erfolgen muss. Für die entsprechenden Mitarbeiter bringt dies teilweise beachtliche Herausforderungen mit sich – einerseits aus der Informationskomplexität und -dynamik und aus für den Fachbereich neuen Herangehensweisen ergeben. Manche bezeichnen dies als einen „Kulturwandel“, den Mitarbeiter und Partner zuverlässig mittragen müssen, wobei auch die Qualitäts- und Markteinführungsziele fest im Blick bleiben müssen.
Für die Virtual-System-Integration und -Simulation werden die benötigten Komponenten und Verhaltensmodelle ausgewählt und in die Integrationsplattform eingebunden, um dann Steuergeräte, Funktionen sowie Fahrzeug- und Umgebungsgeometrie virtuell zu integrieren und zu simulieren. Auch wenn viele spezialisierte Systementwicklungswerkzeuge bei OEMs und System-Zulieferern über die Jahre individuell gewachsen sind, ermöglicht die FMI-Technologie laut Unternehmen, die vielen unterschiedlichen Modelle aus den Bereichen der Fahrzeugentwicklung zu integrieren.
Die vorgestellte Methode soll es ermöglichen, mit weniger physikalischen Fahrzeug- und Systemprototypen die Entwicklungskosten zu senken – bei einer höheren Anzahl von Testiterationen an virtuellen Prototypen. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Entwicklungszeit verkürzen lässt, indem sich Testszenarien und Systemmodule sehr einfach zur Wiederverwendung nutzen lassen. Letztlich kann auch der Integrationsaufwand erheblich reduziert werden: mittels teilautomatisierter Prozesse und minimaler Fehlerraten.
Autor: Michael Seibt, Dassault Systémes
(ID:45639123)