Entwicklung Reifen testen mit autonom fahrenden Autos
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Reifen sollen für möglichst gute Haftung auf der Straße sorgen. Für die Tests der entwicklungsintensiven Produkte lässt Continental den Fahrer weg – und schickt die Autos alleine auf die Teststrecken.

Den Fahrer entlasten und die Fahrsicherheit erhöhen: Bislang ging es beim Thema automatisiert fahrende Autos meist um Komfort und Sicherheit. Continental setzt sie jetzt auch dafür ein, aussagekräftigere Testergebnisse von seinen Reifenteststrecken zu erhalten. Auf seinem Testgelände in Uvalde im amerikanischen Bundesstaat Texas hat der Automobilzulieferer ein erstes fahrerloses Reifen-Testfahrzeug in Betrieb genommen. Das Ziel: die Aussagekraft der Testergebnisse von Pkw-Reifen zu verbessern und Einflüsse des Testverfahrens auf die Ergebnisse zu minimieren.
„Reifentests sind in hohem Maße standardisiert, um die Vergleichbarkeit der einzelnen Produkte zu gewährleisten. Auch die Wiederholbarkeit spielt für uns eine große Rolle, damit wir unsere Tests jederzeit nachprüfen können“, erklärt Thomas Sych, Leiter Reifenversuch bei Continental.
An die Fahrer der Testfahrzeuge stellt das sehr hohe Ansprüche. Bereits kleinste Abweichungen auf der gefahrenen Teststrecke können sich stark auf die Qualität und Vergleichbarkeit der Testergebnisse auswirken. Seit 2016 arbeitet deshalb das Team um Thomas Sych in Uvalde am Reifentest von morgen.
Testabläufe genauer reproduzieren
„Wir wollen Reifentests soweit automatisieren und damit standardisieren, dass wir auch kleinste Unterschiede im Reifen sauber herausfahren können“, erklärt der Versuchsleiter. „Mit dem automatisierten Fahrzeug können wir Abläufe genau reproduzieren, sodass jeder Reifen im Test exakt die gleichen Bedingungen erfährt. So wissen wir sicher, dass Unterschiede im Test auch tatsächlich von den Reifen und nicht durch die Testprozedur erzeugt werden.“
Im Vordergrund stehen bei den Tests die sicherheitsrelevanten Eigenschaften. Dazu kommen Prüfungen zur Laufleistung, zum Geräuschverhalten und zum Rollwiderstand, um nur einige zu nennen. Viele dieser Test finden nicht auf Versuchsstrecken, sondern auf Prüfständen statt, um Kriterien zu prüfen, die Continental beispielsweise bei hohen Geschwindigkeiten nicht gefahrlos am Auto testen kann.
Weniger eintönige Fahrten
Testzeit lässt sich mit dem automatisierten Auto zwar nicht sparen, schließlich könnten die Fahrer im Schichtbetrieb 24 Stunden am Tag unterwegs sein. „Der Gewinn ist eher die Entlastung unserer Testingenieure im Fahrbetrieb. Je mehr eintönige Tätigkeiten ich meinen Kolleginnen und Kollegen abnehme, desto konzentrierter können sie sich den komplizierten Fahrversuchen widmen“, erklärt Sych.
Das gelte nicht nur für Tests auf Versuchsstrecken. Den selben Ansatz habe sein Unternehmen auf dem Testgelände in der Nähe von Hannover verfolgt, wo eine automatisierte Bremstestanlage Mitarbeiter entlastet und die Tests noch reproduzierbarer macht. Wie exakt die Testabläufe sind, lässt sich an einer anderen Eigenschaft ablesen: am geringeren Instandhaltungsaufwand für die Teststrecken. Weil das Fahrzeug in jeder Runde wenige Zentimeter versetzt über die Strecke geschickt wird, muss diese laut Continental deutlich weniger gewartet werden.
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Übersicht: Autonomes Fahren
Autonomes Fahren: Wie es funktioniert, wo die Technik steht
Radar und Kamera für Offroad-Strecken einrichten
Die Technik im automatisiert fahrenden Fahrzeug ist weitgehend bekannt: Kameras und Radarsensoren erfassen die Umgebung des Autos, gesteuert wird das Testfahrzeug mithilfe eines satellitengestützten Ortungssystems. „Dank der engen Zusammenarbeit mit Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen von Continental sind wir mit unserem Prototypen schon sehr weit gekommen. Jetzt liegt unser Fokus darauf, die nötigen Kamera- und Radarsysteme für den speziellen Fall der Offroad-Strecken weiterzuentwickeln – damit das Fahrzeug entsprechend reagiert, wenn Menschen, Tiere oder andere Fahrzeuge unvorhergesehen auf der Fahrbahn erscheinen“, informiert Sych.
Alle Aufgaben kann das automatisiert fahrende Testfahrzeug jedoch nicht übernehmen: „Nach wie vor ist der Faktor Mensch sehr wichtig für uns. Bestimmte Testverfahren, die wir unter dem Begriff ‚Subjektiver Fahrversuch‘ zusammenfassen, können nicht von Maschinen übernommen werden. Dazu gehören alle Bewertungen des Fahrzeughandlings bis in den Grenzbereich, aber beispielsweise auch die Beurteilung des Fahrbahngeräusches“, sagt Sych.
Reifen mit Kautschuk aus Löwenzahn
Neuer Test, alte Reifen also? Nicht ganz: „Beim Naturkautschuk, der in allen Reifen anteilig enthalten ist, machen wir derzeit Versuche mit Kautschuk aus der Löwenzahnpflanze. Dazu haben wir in Anklam in Mecklenburg-Vorpommern ein Versuchslabor eröffnet, in dem wir an der Industrialisierung des ‚Reifens aus der Pusteblume‘ forschen“, so Sych.
Elektrisch angetriebene Fahrzeuge brächten zudem höhere Anforderungen an einen niedrigen Rollwiderstand mit sich. „Dies darf jedoch nicht zu Lasten der sicherheitsrelevanten Eigenschaften gehen“, betont Thomas Sych: „Reifenentwicklung ist in hohem Maße das Management von Zielkonflikten auf möglichst hohem Niveau – und daran wird sich meiner Einschätzung nach auch künftig nichts ändern.“
Erste automatisierte Tests vor 50 Jahren
Die Idee eines automatisiert fahrenden Fahrzeugs bei Reifentests ist übrigens nicht neu: Bereits vor 50 Jahren nutzte Continental ein elektronisch gesteuertes Auto, um die Tests zu automatisieren. Damals folgte das Fahrzeug einem auf der Fahrbahn aufgeklebten Draht. Das begrenzte die Einsatzmöglichkeiten auf asphaltierte Teststrecken – der Prototyp von heute kann fahrerlos auch sicher über Schotterpisten navigieren.
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