Erneuerbare Energien Strombedarf zur Herstellung von Wasserstoff halbieren
Wissenschaftler am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) erforschen eine Kombination von Biomasse-Verbrennung mit Hochtemperatur-Elektrolyse. Ihr Ziel: Ökostrom mit geringem Energieeinsatz in chemische Energieträger umwandeln.
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Der steigende Anteil von erneuerbarem Strom im Netz erfordert Speicher. Besonders vielversprechend ist die Umwandlung des fluktuierenden Ökostroms in chemische Energieträger oder Rohstoffe. Mit Power-to-X lassen sich sogenannte E-Fuels beispielsweise Wasserstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge, Methan für Erdgasautos, Kerosin für Flugzeuge, verflüssigtes Methan (LNG) für Schiffe oder Basischemikalien für die Chemieindustrie herstellen – und zwar klimafreundlich. Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus Ökostrom und Wasser erzeugt wird, dient als Ausgangsstoff für alle Power-to-X-Technologien.
Diese Power-to-X-Verfahren denken Wissenschaftler des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) jetzt neu: Sie wollen eine Hochtemperatur-Biomasseverbrennung mit einer Hochtemperatur-Elektrolyse kombinieren. Das Ziel ist ein geringerer Strombedarf bei der Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff. Laut ZSW lässt sich der Stromeinsatz halbieren. Ersten Vorversuche verliefen erfolgreich, eine positive Resonanz zum Projekt gibt es laut Unternehmen bereits.
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E-Fuels
E-Fuels: Strom in Kraftstoff wandeln
Die Verfahren im Detail
Bei der Hochtemperatur-Elektrolyse kann im Unterschied zur alkalischen oder PEM-Elektrolyse der Strom als Einsatzenergie zu einem erheblichen Anteil durch Hochtemperaturwärme ersetzt werden. Das Oxyfuel-Verfahren liefert der Elektrolyse durch die Verbrennung mit nahezu reinem Sauerstoff die nötige Hochtemperaturwärme und das effizienter als bei Verbrennungsverfahren mit Luft. Als Brennstoff nutzen die Forscher etwa Holz oder Biomassereststoffe.
Wir wollen einen Kubikmeter Wasserstoff aus 2,5 Kilowattstunden Strom erzeugen.
Die Elektrolyse wiederum erzeugt den für die Hochtemperaturverbrennung notwendigen Sauerstoff, der sonst mit erheblichem Energieaufwand bereitgestellt werden muss. „Mit dieser Technologie wollen wir einen Kubikmeter Wasserstoff aus 2,5 Kilowattstunden Strom erzeugen“, erklärt Michael Specht, Leiter des ZSW-Fachgebiets „Regenerative Energieträger und Verfahren“. Heutige Elektrolyseure benötigten in der Regel etwa doppelt so viel elektrische Energie. Anschließend wollen die Forscher das „grüne“ Kohlendioxid aus der Oxyfuel-Verbrennung mit dem Wasserstoff aus der Elektrolyse in einen kohlenstoffhaltigen Energieträger, etwa Methan, oder in Basischemikalien, beispielsweise Methanol, umwandeln.
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Produktion
Voestalpine stellt Wasserstoff her
Der Kohlenstoff-Nutzungsgrad ist bei diesem Vorgehen hoch. Die Technologie ist zudem kohlendioxidneutral. Das Vorgehen spart auch Energie, da Kohlendioxid zum Beispiel nicht extra aus einem Rauchgas abgetrennt werden muss.
Zwei Reaktor-Konzepte
Um sein Ziel zu verwirklichen, untersucht das Forscherteam zwei Reaktor-Konzepte und vergleicht diese miteinander: einen Wirbelschichtreaktor sowie einen FLOX-Brenner (flammenlose Oxidation). Es soll ein sauerstoffarmer Abgasstrom erzeugt werden, der einerseits Hochtemperaturwärme für die Elektrolyse und andererseits Kohlendioxid für die folgende Synthese bereitstellt. Erste Versuche zur Oxyfuel-Verbrennung von Erdgas im FLOX-Brenner lieferten ein heißes Abgas, das gut geeignet ist für eine anschließende Kraftstoff-Synthese. Parallel wird der neue Power-to-X-Pfad mit Hilfe von Prozesssimulationen bewertet.
Das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Institut für Technologie attestierte dem ZSW-Konzept in ersten Analysen ein erhebliches Kohlendioxid-Senkungspotenzial bei relativ geringem Gesamtenergiebedarf. Derzeit stellen die ZSW-Wissenschaftler einen Versuchsstand fertig, um die Kombination der beiden Technologien zu untersuchen. „Für unser Vorhaben wollen wir auch Industriepartner aus der Hochtemperatur-Elektrolyse-Entwicklung gewinnen“, erläutert Specht.
Stromschwankungen kompensieren
Der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch in Deutschland lag nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen im Jahr 2017 durchschnittlich bei rund 36 Prozent. Kurzzeitig ist er deutlich höher: Am 1. Januar und am 1. Mai 2018 etwa schnellte er für jeweils einige Stunden auf 100 Prozent hoch, so die Informationsplattform „SMARD“ (Strommarktdaten) der Bundesnetzagentur. Wenn 2030 nach dem Willen der Bundesregierung im Mittel 65 Prozent Ökostrom im Stromnetz fließen sollen, wird das Angebot immer öfter auf das Doppelte oder mehr der Stromnachfrage steigen.
Das Forschungsprojekt ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt mit gut 900.000 Euro (Förderkennzeichen 03SFK2C0). Das Vorhaben beruht auf der Arbeit des ZSW im Kopernikus-Projekt Power-to-X des BMBF, mit einer geplanten Laufzeit von zehn Jahren. Dem Projekt-Konsortium gehören etliche Unternehmen aus Industrie und Forschung an, zum Beispiel die RWTH Aachen, Audi, Covestro, das Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme, Thyssenkrupp Industrial Solutions oder Wacker Chemie.
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