Alternative Antriebe Kommentar: 1.400 Kilometer mit dem Brennstoffzellenauto

Von Thomas Günnel

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Mit dem ID 3 bringt Volkswagen das erste Modell seiner elektrischen Zukunft auf die Straße, mit Akkus an Bord. Für VW-Chef Diess die eine Wahrheit. Aber: Die Alternative, Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb, können einiges besser. Wie gut klappt das im Alltag?

Einige hundert Kilometer Reichweite, tanken in fünf Minuten: Das geht mit Wasserstoffautos wie dem Mirai.
Einige hundert Kilometer Reichweite, tanken in fünf Minuten: Das geht mit Wasserstoffautos wie dem Mirai.
(Bild: Thomas Günnel/»Automobil Industrie«)

Herbert Diess ist in den Urlaub gefahren. Mit einem ID 3. Beim Karrierenetzwerk LinkedIn hatte der Volkswagen-Chef die Tour angekündigt: „Unter absoluten Realbedingungen“ ist er von München an den Gardasee gefahren, rein elektrisch. Es ist sicher nur Zufall, dass die mit Ladestationen gespickte und gut ausgebaute, touristische Strecke mit rund 420 Kilometern Länge die Reichweite des gefahrenen ID 3 Pro Performance, die VW mit 300 bis 420 Kilometern angibt, recht genau trifft.

Sogar ein kurzer Ladestopp war vorgesehen, „in rund 15 Minuten sind bei batterieschonenden 80 kW mehr als 100 Kilometer Reichweite beim ID 3 geladen. Heißt: Entspannt einen Kaffee trinken und weiter geht’s. Da sehe ich überhaupt kein Problem, sehr angenehm“, kommentierte der VW-Chef. Man könnte auch fragen: Kaffee trinken, weil ich beim Laden warten muss?

Drei Tage, fünf Städte

Ich hatte keinen Urlaub, dafür Termine, dienstliche und private: in der Nähe von Zwickau, Stollberg bei Chemnitz, Kempten im Allgäu und in München. Insgesamt rund 1.400 Kilometer mit Start und Ziel am Bürogebäude in Würzburg – auf völlig durchschnittlichen innerdeutschen Autobahnen. Und ich hatte einen Toyota Mirai als Testwagen. Richtig, eines dieser laut Herbert Diess' „unsinnigen“ Autos, die mit Wasserstoff fahren. Wie bei batterieelektrischen Fahrzeugen sind auch hier die oft genannten Sorgen: „Da gibt es doch keine Infrastruktur. Komme ich überhaupt von einer Tankstelle zur nächsten?“ In aller Kürze: Doch! Ja!

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Tag 1: Würzburg –Zwickau (rund 300 Kilometer). Den ersten Tankstopp lege ich in Meerane bei Zwickau ein. Ich muss dafür einen kleinen Umweg fahren – und komme am Werk in Mosel vorbei, in dem der ID 3 gebaut wird. Kurzer Fotostopp mit dem Mirai, die Versuchung war zu groß.

Tag 2: Zwickau – Stollberg – Nürnberg – Ulm – Kempten (rund 550 Kilometer). Kurzer Halt in Nürnberg in der Nähe der A6 zum Tanken. Einen Kaffee trinke ich nicht, dafür ist keine Zeit. Nach knapp fünf Minuten sind rund vier Kilogramm Wasserstoff in den beiden Drucktanks, das reicht für zwischen 350 und 400 Kilometer. Zweiter Tankstopp in Ulm; um in der Region um Kempten etwas Reserve im Tank zu haben und um nach München zu kommen.

Tag 3: Kempten – München – Kempten – Würzburg (rund 500 Kilometer). Ein Tankstopp in München reicht für die Rückfahrt.

Mit Karte zahlen – an jeder Tankstelle

Die Tankstellen habe ich mir vorher auf der Webseite der H2 Mobility gesucht; hingeführt hat mich das Navi des Autos, bei Bedarf hätte es auch Googlemaps erledigt, verknüpft mit der „ H2 Live“-App, punktgenau. Bezahlen kann ich an allen Tankstellen mit der „H2 Mobility Card“ – für die kann sich jeder registrieren. Die zu zahlende Summe wird vom Konto abgebucht.

Den entspannten Reiseeindruck wegen des fehlenden Motorengeräusches, den VW-Chef Diess beim ID 3 beschreibt, kann ich bestätigen: Auch im Mirai höre ich lediglich leise Windgeräusche. Platz genug habe ich mit meinen knapp zwei Metern in der großen Limousine auch, die Sitze sind langstreckentauglich, das Auto komfortabel abgestimmt, mein Gepäck passt in den Kofferraum. Ein Soundsystem des amerikanischen Audiospezialisten JBL sorgt für musikalische Freude. Die Bedienung des Mirai ist durchdacht und klappt intuitiv.

Neugierige Blicke und Fragen gab es einige. Vom Mirai sind mit Stand 1. Januar 201 Fahrzeuge in Deutschland zugelassen, ein echter Hingucker. Die zweite Generation kommt in einem Jahr in Japan und den USA auf den Markt – und wird eleganter aussehen. Und: Das Wasserstoffauto fühlt sich noch etwas mehr nach Zukunft an, als eines, das ausschließlich Akkus an Bord hat.

So macht elektrisches Fahren Spaß

Mein Fazit: Es macht Spaß rein elektrisch unterwegs zu sein, dabei aber fast wie gewohnt und genauso schnell „nachzuladen“. Ist das Wasserstoffauto in Deutschland alltagstauglich? Ein vorsichtiges „Ja“. Die heute aktiven Tankstellen vor allem im Süden und Westen reichen aus, um auch größere Etappen problemlos zu fahren. Und der Ausbau geht voran. Anders als mit einem Diesel- oder Ottomotor ist vorab ein Blick auf eine Karte sinnvoll, um den Weg zur nächsten Wasserstoff-Tankstelle zu kennen. Das gilt für Ladesäulen aber genauso.

Ich stimme Ihnen zu, Herr Diess: Wenn jetzt viele Fahrer auf ein elektrisch betriebenes Auto umsteigen, wird das fast zwangsläufig dazu führen, dass die dafür notwendige Infrastruktur ausgebaut wird – und zwar auch die für Wasserstoff, der sich zusätzlich als Energiespeicher für Industrie und Gesellschaft eignet. „Grün“ erzeugt muss dabei Beides sein: der Strom in den Akkus und der Wasserstoff in den Drucktanks.

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