Werkstoffe Von Biofaser-Verbund zu Stahl: Materialvielfalt beim Leichtbau
Der bekannte Reflex „Leichtbau = Aluminium“ ist nicht immer angebracht. Werkstoffe wie Stahl, Magnesium und Biofaser-Verbund eignen sich ebenfalls selbst für extreme Rahmenbedingungen. Einen Überblick dazu gab es beim »Leichtbau-Gipfel« in Würzburg.
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Ein Ort mit extremen Rahmenbedingungen ist der Vorderbau eines Pkw, da dort im Crashfall Energie gezielt aufgenommen und weitergeleitet werden soll. Auf dem Würzburger Leichtbau-Gipfel präsentierte Chris Lahaje von Tata Steel ein neues Frontend-Strukturkonzept, das speziell für ein batterieelektrisch angetriebenes Fahrzeug ausgelegt ist. Es besteht zum Großteil aus warmgewalzten Stählen für die Frontcrashelemente. Die neu entwickelten Stahlgüten weisen bei höherer Festigkeit gleichzeitig eine bessere Verformbarkeit als vergleichbar feste bisherige Stähle auf. Gleichzeitig wurde darauf geachtet, dass an den Verformungsstellen keine Risse oder Brüche auftreten.
In Simulationen und Fallturmtests hat Tata ermittelt, dass das neue Strukturkonzept bei einem Elektroauto um 55 Millimeter kürzer bauen kann. Dennoch kann diese kompaktere Struktur deutlich mehr Energie absorbieren – das Elektrofahrzeug hat 200 Kilogramm mehr Masse als das Referenzfahrzeug mit Verbrennungsmotor. Einen weiteren Vorteil sieht Lahaje in der deutlich besseren Alterungsbeständigkeit des Stahls im Vergleich zu Aluminium, was bei den geplanten langen Lebenszyklen der Elektroantriebe und Elektrofahrzeuge ebenfalls zu berücksichtigen sei.
Brose tritt für Leichtbau in die Pedale
Einen völlig anderen Blickwinkel auf Leichtbau und Elektromobilität vermittelte Christian Becker von Brose Antriebstechnik den zahlreichen Teilnehmern des Leichtbau-Gipfels. Er stellte den neuen Brose-Elektromotor für Fahrräder vor, den verschiedene Fachmagazine zum aktuellen Benchmark bezüglich Gewicht (666 Gramm), Leistung (630 Watt Spitzenleistung) und Geräuschverhalten kürten.
Ein wichtiges Merkmal sind seine Abdeckungen aus Magnesium. Sie sorgen für ein Gewichtsreduktion von mehr als einem Drittel, 666 statt 1.034 Gramm, im Vergleich zum gleich starken E-Motor mit Aluminiumgehäusen. Wichtige Herausforderungen waren laut Becker, Korrosion zu vermeiden, und die ausreichende Steifigkeit des Motors in der extrem rauen Umgebung des Kurbeltriebs. Korrosion vermeidet Brose durch eine Pulverbeschichtung aller sichtbaren Magnesiumflächen, die konsequente Verwendung von Aluminiumschrauben und mittels Verzicht auf Graphitdichtungen.
Mehr Steifigkeit bringen Rippenstrukturen in hochbelasteten Bereichen, eine gleichmäßige Wandstärke sowie auslaufende Radien und Stegbreiten. Andererseits muss die Motorkonstruktion so fest und flexibel ausgelegt sein, um die starke Belastung und Verformung der hindurchführenden Tretlagerwelle aus Stahl aufnehmen zu können.
Schnell und nachhaltig ist kein Widerspruch
Eine ganz andere Werkstoffwahl sprach Thomas von Löwis of Menar, Geschäftsführer von Four Motors und Teamchef des gleichnamigen Rennsportteams, an. Er setzt in seinen Touren- und Langstrecken-Sportwagen seit mehr als einem Jahrzehnt immer wieder Karosseriebauteile aus Biofaser-Verbundwerkstoffen und Bio-Kraftstoffe ein. Dabei leitet ihn die Überzeugung, dass Mobilität am besten CO2-neutral sein sollte und der Rennsport eine wichtige Pionierrolle bei der Erprobung neuer Nachhaltigkeitskonzepte spielt. Nicht zuletzt, weil beispielsweise ein Kilometer Rennerfahrung auf der Nürburgring-Nordschleife etwa zehn Kilometern Straßenerprobung entspricht.
Im Jahr 2016 erprobte Four Motors in einer Kooperation mit Porsche bei einem GT4 Cayman Bioverbundstoffe in den Fahrer- und Beifahrertüren, in Fronthaube und Heckflügel. 2017 wurde diese Kooperation zu einer Entwicklungspartnerschaft mit Porsche und dem Fraunhofer WKI, einem Forschungsinstitut für Holzforschung weiterentwickelt. Das Ziel: Materialien wie Flachs, Hanf, Leinen und Baumwolle auf ihre Eignung in Verbundwerkstoffen untersuchen.
Biofasertüre in der Kleinserie
Bisheriger Höhepunkt ist ein Porsche 911 GT3, der 2018 als erstes Fahrzeug eine maschinell gefertigte Biofasertüre aufwies. Aus diesem Projekt ging laut von Löwis die Erkenntnis hervor, dass Türen aus Biofasern bei gleichen Randbedingungen etwa 40 Prozent kostengünstiger als Türen aus Kohlefasern sein können. Allerdings, so von Löwis, sei aus verschiedenen Gründen mit einem flächendeckenden Einsatz von Biofasern nicht so schnell zu rechnen.
Der Einsatz von Biofaser-Verbundwerkstoffen stellt aber nur eine Säule eines Nachhaltigkeitskonzepts von Four Motors dar. Die beiden anderen sind der Einsatz von reraffiniertem Motor- und Getriebeöl – 80 Prozent weniger CO2-Emissionen bei der Herstellung – und Ottokraftstoff mit 20 Prozent Ethanol-Beimischung (E20) aus biologischen Reststoffen. Für den Leichtbau interessant ist ein weiteres Four Motors-Förderprojekt: Es untersucht einen auf Muscheln basierenden Kleber für die Biofaserkomponenten.
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