Automobilzulieferer ZF ZF-Chef Scheider: „Hybridtechnik braucht mehr Aufmerksamkeit“

Autor Svenja Gelowicz |

Elektrofahrzeuge sind Zweit- oder Drittautos für wohlhabende Leute, kritisiert ZF-Chef Wolf-Henning Scheider – und fordert einen „Volkshybrid“. Drei Milliarden Euro steckt sein Unternehmen in bessere Hybrid-Technik, 800 Millionen Euro davon in den „Leitstandort“ Saarbrücken.

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ZF-Chef Wolf-Henning Scheider in Wolfsburg: „Im Hybrid steckt richtig Musik drin.“
ZF-Chef Wolf-Henning Scheider in Wolfsburg: „Im Hybrid steckt richtig Musik drin.“
(Bild: Svenja Gelowicz/Automobil Industrie)

Noch am Vorabendevent des „Autogipfels“ der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“ witzelte Ferdinand Dudenhöffer, Gründer und Direktor des Car-Instituts Duisburg Essen, auf die Frage nach einem „Volkshybrid“, dass „kein Mensch gleichzeitig mit Hosenträgern und Gürtel durch die Gegend laufe.“ Deutlich mehr Inhalt lieferte der Chef von ZF Friedrichshafen am nächsten Tag. „Wenn wir es mit der Elektrifizierung ernst meinen, dann müssen wir die Technologie viel leichter erreichbar machen“, sagte Wolf-Henning Scheider in Wolfsburg beim „Autogipfel“. „Wir müssen einen Volkshybrid bauen.“ Er fordert mehr „wertschätzende Aufmerksamkeit“ für die Hybtridtechnik. Denn Elektrofahrzeuge, ist Scheider überzeugt, taugen aktuell nur für wohlhabende Leute als Zweit- oder Drittfahrzeug.

Bei der kommenden Hybrid-Generation von ZF decke der E-Motor den Großteil der Fahrleistung, der Verbrenner sei das Plus bei längeren Fahrten. Die elektrische Reichweite: 80 bis 100 Kilometer, zum Beispiel durch bessere Rekuperation. Durch Geofencing erkenne die künftige Motorsteuerung Stadtbereiche und wirft den Verbrenner gar nicht erst an. Für diese neue Hybridgeneration hätte sein Unternehmen bereits die mindestens benötigten drei Hersteller gewonnen, auch deutsche OEMs seien darunter.

Am ZF-Standort Saarbrücken werden 8-Gang-Hybridgetriebe für Pkw gefertigt.
Am ZF-Standort Saarbrücken werden 8-Gang-Hybridgetriebe für Pkw gefertigt.
(Bild: ZF)

Doch auch die aktuellen Achtgang-Plug-in-Getriebe sind, betont Scheider, „schon weit entwickelt“ und mit 100 Kilowatt elektrischer Leistung könne man „auch ein SUV recht gut bewegen.“ Da der Bedarf „massiv steige“, will ZF die Produktion bis 2023 verzehnfachen.

Erst heute (7. Dezember) hat ZF verkündet, drei Milliarden Euro in die weitere Verbesserung seiner Getriebe zu stecken. Davon fließen 800 Millionen Euro in den Getriebetechnik-Leitstandort Saarbrücken – genauer gesagt: in Produktionsanlagen und -systeme, in Infrastruktur und in das Lieferantennetzwerk.

Damit grenzt sich ZF deutlich von den jüngsten Aussagen des VW-Chefstrategen Michael Jost ab. Dieser verkündete, ebenfalls auf dem „Autogipfel“, dass VW bis zum Jahr 2050 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge auf der Straße haben will. Deshalb markiere das Jahr 2040 das erste Stoppschild für den Verkauf von Modellen mit Diesel- oder Benzinmotoren. Die letzten neuen Verbrenner dürften daher Anfang 2030 auf den Markt rollen.

Im Jahr 2026 soll es die letzte Plattform geben, die keine CO2-neutralen Fahrzeuge unterstützt. „Faktisch arbeiten die Kollegen an der letzten reinen Verbrenner-Plattform“, sagt Michael Jost. Was das letztendlich für Hybridmodelle bedeutet, darüber sagte er nichts.

Wolf-Henning Scheider: „Bashing der Autoindustrie“

Der ZF-Chef kritisiert derweil die „extrem emotionale Debatte“ in puncto Antrieb in Deutschland. Er selbst empfinde das häufig als Aktionismus. „Wir haben kein schlüssiges Gesamtkonzept, aber es werden Fahrverbote durchgesetzt.“ Um Mobilität zu verändern, bräuchte es mehr Freiräume statt Vorschriften. „Natürlich wurden Fehler gemacht“, sagt Scheider mit Blick auf den Diesel. Doch es gehe seiner Meinung nach zu weit, dafür die ganze Technik zu verteufeln.

Die Zukunft sei natürlich elektrisch, aber es gebe eben auch eine Übergangsphase. Kurzfristig sieht Scheider die Rolle als Automobilzulieferer darin, technologieoffen Antriebskonzepte zu schaffen, die „uns über die nächsten zwei Jahrzehnte bringen.“ Mittelfristig will ZF über ganz neue Mobilitätskonzepte nachdenken und diese vorantreiben. Das „Bashing auf die Autoindustrie“ soll, geht es nach Wolf-Henning Scheider, durch eine faktenbasierte Diskussion ersetzt werden.

„ZF investiert gleichermaßen in Zukunftstechnik wie OEMs“

Mit Blick auf die Investitionsoffensiven der Autohersteller verweist Scheider auch auf die zwölf Milliarden Euro, die sein Unternehmen in Zukunftstechnik wie autonomes Fahren und Elektromobilität steckt – in den kommenden fünf Jahren. „Diese Summe haben wir noch nie zuvor aufgewendet.“ ZF sei in Relation zum Umsatz damit auf gleicher Höhe mit den OEMs. Scheider: „Auch das zeigt unsere neue Rolle. Wir investieren gleichermaßen in neue Technik. Und wir sehen im weiterentwickelten Hybridantrieb weit mehr als eine Brückentechnologie.“

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