Robotaxi & Co Autonomes Fahren: Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?

Ein Gastbeitrag von Michael Malterer Lesedauer: 5 min

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Politiker loben das Gesetz zum autonomen Fahren in Deutschland, Vertreter aus der Industrie sind zunehmend frustriert. Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich? Eine Analyse von Rechtsanwalt Michael Malterer.

Was den Serieneinsatz von Level-3-Systemen angeht ist Mercedes Pionier. Doch was ist in den wichtigsten Märkten der Welt erlaubt?
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(Bild: Mercedes-Benz)

Deutschland hatte zügig ein Gesetz zum automatisierten Fahren erlassen. Doch mehrere Unternehmen kritisieren, dass die Umsetzung in der Praxis langwierig und kompliziert sei. Unterdessen gibt es in den USA erste kommerziell betriebene Robotaxi-Flotten. Was ist derzeit möglich und ist die Zulassung bei uns wirklich komplizierter als in den USA? Michael Malterer zweifelt das in einem Gastbeitrag für »Automobil Industrie« an.

Gesetzesänderungen in Deutschland

Deutschland hat einen durchaus progressiven Rahmen und kalkulierbare Vorgaben der EU. Dabei geht es nicht nur um die rechtliche Zulassung eines Fahrzeugs oder einer Komponente, auch die Straßenverkehrsordnungen der Länder sind anzupassen und künstliche Intelligenz ist in den Anforderungen einzuordnen. Je nach Automatisierungsgrad mag es zunächst besondere Zonen brauchen, in denen der Betrieb zulässig ist.

Rechtsanwalt Dr. Michael Malterer.
Rechtsanwalt Dr. Michael Malterer.
(Bild: Dentons)

Mit dem sogenannten Gesetz zum autonomen Fahren im Jahr 2021 und der „Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung“ aus 2022 hat Deutschland den Rechtsrahmen für die rechtliche und technische Umsetzung des vollautomatisierten Fahrens nach SAE-Level 4 geschaffen. Danach übernimmt das System die Führung des Fahrzeugs dauerhaft. Das Fahrzeug kann längere Strecken, etwa auf Autobahnen, innerhalb eines festgelegten Betriebsbereichs ohne Eingriff oder Überwachung des Fahrers zurücklegen.

SAE-Level 5 (Autonomes Fahren) bedeutet, dass das Fahrzeug zu jeder Zeit die alleinige Kontrolle hat und ein Eingriff durch einen Fahrer nicht mehr möglich ist. Jeder Insasse ist damit Passagier, Lenkräder oder Pedale gibt es nicht mehr, das Fahrzeug entscheidet alles selbst. Fahrten ohne Insassen sind möglich. Ein Führerschein ist nicht mehr erforderlich. Folglich muss auch keine Fahrtüchtigkeit des Passagiers gegeben sein. Um es vorweg zu sagen: Zulassungskriterien dafür sind noch nicht absehbar.

Öffentlicher Nahverkehr und die Betriebsbereichsgenehmigung

Bereits beim Gesetzgebungsverfahren für das Gesetz des autonomen Fahrens war die Erforderlichkeit der Betriebsbereichsgenehmigung kritisiert worden. Bei der Zulassung ist konkret festzulegen, auf welchen Straßen oder in welchem Bereich das Fahrzeug autonom genutzt werden wird.

Der deutsche Gesetzgeber legt damit die fälschliche Vermutung nahe, dass nach seiner Vorstellung nur Anbieter von Shuttle-Diensten oder Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs für den automatisierten Einsatz geeignet wären. Denn nur diese befahren die immer gleichen Straßen und die geographisch-räumliche Beschränkung auf den Betriebsbereich lässt sich auf die Nutzung durch Private nicht übertragen.

Auch im Hinblick auf die Zuständigkeit der Länderbehörden erfuhr die Regelung Kritik. Denn das Kraftfahrt-Bundesamt erteilt die Betriebserlaubnisse und besitzt das erforderliche technische Know-how.

Autonomes Fahren auf dem Gebiet der europäischen Union

Die Europäische Union hat mit der Verordnung über die allgemeine Sicherheit von Fahrzeugen (EU) 2019/2144 sowie der Durchführungsverordnung (EU) 2022/1426 den Rechtsrahmen für die Genehmigung automatisierter und vollständig fahrerloser Fahrzeuge in der EU geschaffen.

Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2022/1426 und detaillierten Regelungen zur vorstehenden Verordnung für die Typgenehmigung des automatisierten Fahrsystems für vollautomatisierte Fahrzeuge kann das Kraftfahrtbundesamt EU-Typgenehmigungen für Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion (Level 4) in Kleinserie genehmigen.

Seit 2023 erlaubt eine UN-Regelung Autos im Level-3-Einsatz ein Tempo von bis zu 130 Km/h. Hersteller müssen dafür eine Typgenehmigung einholen, bevor sie diese Funktion nach sorgfältiger technischer und produkthaftungsrechtlicher Prüfung freischalten.

Rahmenbedingungen in anderen Ländern

Das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr aus 1968 und die technischen UNECE-Standards enthalten bis heute viele Regelungen und Änderungen für den Einsatz von Kraftfahrzeugen, mittlerweile auch in Ansätzen zum Fahren. Beide Verträge erhielten stets Anpassungen und auch in jüngerer Zeit, um die Zulässigkeit von Fahrzeugen bis zu SAE-Level 4 zu ermöglichen.

In den USA fehlt es an einem bundesweiten Rechtsrahmen für Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen. Der „Self Driving Act“ wurde 2017 vom US-Repräsentantenhaus verabschiedet, scheiterte aber später im US-Senat und trat nie in Kraft. Im Jahr 2022 haben Mitglieder des US-Repräsentantenhauses eine neuerliche parteiübergreifende Initiative zur Förderung selbstfahrender Fahrzeuge ergriffen.

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Antrags- und Genehmigungsverfahren zur Erteilung von Sondergenehmigungen erfolgen bislang in den einzelnen Bundesstaaten nach individuellen und stets unterschiedlichen Vorgaben. In rund der Hälfte der US-Staaten gibt es entsprechende Gesetze, die sich aber meist nur dem Testen von autonomen Fahrzeugen widmen. In Nevada erhielt Anfang 2023 Mercedes-Benz als Pionier die Zertifizierung für teilautomatisiertes Fahren nach SAE Level 3.

  • Die britische Regierung veröffentlichte 2023 in Folge einer öffentlichen Konsultation einen Plan zur Einführung selbstfahrender Fahrzeuge auf britischen Straßen und Änderungen an seiner Straßenverkehrsordnung.
  • Kanada erließ überwiegend nur Vorschriften, die sich mit dem Testen von autonomen Fahrzeugen beschäftigen.
  • Australien veröffentlichte 2022 ein Strategiepapier mit Vorschlägen für einen schlüssigen Rechtsrahmen für den gewerblichen Einsatz automatisierter Fahrzeuge.

Kanada, Australien und Länder wie Südafrika haben vor allem beim Warenverkehr aufgrund der großen Strecken und eines eher dürftigen Eisenbahn-Netzes ein hohes Interesse an automatisiertem Güterverkehr.

Automatisiertes Fahren in China und Japan

In China veröffentlichten 2020 mehrere Ministerien in einer Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission gemeinsam die Strategie für Innovation und Entwicklung intelligenter Fahrzeuge, entsprechend chinesischer Übung mit einem zugehörigen Fünfjahresplan. Darin wurde die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Straßenverkehrssicherheitsordnung und weiterer Gesetze für den Einsatz intelligenter Fahrzeuge festgestellt.

Kommunalverwaltungen auf allen Ebenen unterstützen das autonome Fahren nachdrücklich. Einzelne Städte versprechen bereits jetzt die Zulassung von autonomen Fahrzeugen, mit unklaren gesetzlichen Erfordernissen. Japan hat über die letzten Jahre eine Reihe von Gesetzesänderungen vorgenommen und sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 hochautomatisierte Fahrsysteme der Stufe 4 in vielen Regionen des Landes zuzulassen.

Globales Ziel ist die Verkehrssicherheit

Prioritär geht es nicht nur um Warentransport oder die Beförderung von Menschen, sondern darum, die Zahl der Verkehrstoten nach unten zu korrigieren. Bedeutsam ist dafür nicht nur die technische Fähigkeit des Systems, sondern auch das Befolgen der Verkehrsregeln, wenn ein Fahrer dafür nicht mehr zuständig ist.

Die Software muss stets wissen, wo sich das Fahrzeug befindet, und andere Verkehrsteilnehmer oder statische Objekte richtig einordnen. Sensoren und künstliche Intelligenz werden dem Auto ermöglichen zu lernen und komplexe Vorgänge immer besser zu entscheiden.

Ethik und künstliche Intelligenz

Unzulässige Wertungen zwischen besonders bedeutenden Rechtsgütern darf das Fahrzeug nicht vornehmen. Bei der unvermeidbaren alternativen Gefährdung von Menschenleben darf keine weitere Bewertung anhand persönlicher Merkmale erfolgen.

Sorgfaltspflichten werden sich für Hersteller erhöhen, wenn die EU-Kommission die Haftungsregeln an das Zeitalter der künstlichen Intelligenz anpasst. Die seit 1986 geltende Produkthaftungsrichtlinie bekommt dazu ein Update und die Kommission hat Ende September den Entwurf einer Haftungsrichtlinie für künstliche Intelligenz vorgestellt.

Lässt sich danach nicht eindeutig feststellen, ob eine Pflichtverletzung des Herstellers den entstandenen Schaden verursacht hat, kommt es zu einer Beweislastumkehr und das Verschulden wird beim Hersteller oder Betreiber vermutet. (sp)

* Dr. Michael Malterer ist Rechtsanwalt und Partner bei Dentons, der größten global tätigen Wirtschaftskanzlei mit 21.000 Professionals an mehr als 200 Standorten in über 80 Ländern, und Co-Leader der weltweiten Autonomous Vehicles Sector Group von Dentons.

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