Batteriezellfertigung Daimler und Farasis: Was ist dran an den Spekulationen?
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Will Daimler selbst Batteriezellen fertigen? Steht der Deal mit dem Lieferanten Farasis noch? Was sagen die Unternehmen? Eine Einordnung.

„Daimler will seine Batteriezellen offenbar nicht mehr vom chinesischen Start-up Farasis beziehen, die Qualität der Musterzellen sei `katastrophal´ gewesen“ – so oder ähnlich berichteten einige Medien Ende Juni. Es folgten Spekulationen, dass die seit zwei Jahren bestehende Partnerschaft der Unternehmen womöglich ganz vor dem Aus stehe; auch, weil Daimler fürchte, dass die in Bitterfeld-Wolfen geplante Fabrik nicht rechtzeitig fertig werde.
Was ist der aktuelle Stand? „Wir wissen nicht, woher diese Aussagen stammen“, sagte auf Nachfrage Sebastian Wolf. Wolf leitet das Europa-Geschäft des Unternehmens. „Es gab in der jüngeren Vergangenheit einige Statements zu Farasis, die nicht stimmen.“
„Keine bekannten Qualitätsprobleme“
Ein Problem mit der Qualität der Batteriezellen gibt es laut Wolf nicht, Daimler selbst „bestätigt die Spekulationen in den Medien nicht“, erklärte eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage. „Wir sind außerdem bereits im Serienhochlauf“, ergänzte Wolf: „Erste Muster werden in der Automobilindustrie typischerweise zwei bis drei Jahre vor Serienstart und auch vor Nominierung geliefert.“
Die Serie, die gerade anläuft wird dennoch nicht aus Bitterfeld kommen. „Die Partnerschaft mit Farasis besteht weiter und auch die Beteiligung von Daimler an dem Unternehmen“, so die Daimler-Kommunikation.
Die Partnerschaft mit Farasis und unsere Beteiligung am Unternehmen bestehen weiter.
Was wird aus Bitterfeld? Das laut Wolf bereits bestehende Gebäude hatte Farasis von einem früheren Hersteller von Solarpanels gekauft und baut es derzeit um. „Vor rund einem Monat sind die letzten alten Anlagen ausgezogen, jetzt bereiten wir die Fertigung vor“, beschreibt Wolf. Zwischen 30 und 40 Mitarbeiter seien damit betraut. Eine konkrete Zusage für eine Batteriefertigung am Standort ließ sich Wolf aber nicht abringen: „Wir erarbeiten derzeit eine neue Lokalisierungsstrategie“, beschrieb der Farasis-Europa-Chef. Fest stehe, dass die „Generation 4“ der Batteriezellen „aus Europa“ kommen soll.
Hohe Energiedichte der Zellen
Diese Generation wartet mit eindrucksvollen Daten auf: 330 Wattstunden pro Kilogramm Energiedichte, mehr als 1.500 Ladezyklen sollen die Zellen überstehen. Die aktuelle Zellgeneration erreicht eine Energiedichte von 285 Wh/kg, „damit sind wir Spitzenreiter auf dem Markt“, merkt Sebastian Wolf an. Teslas Model 3 hat laut Farasis 255 Wh/kg, die VW-Modelle mit MEB-Technik 265 Wh/kg. Bis zu 400 Wattstunden pro Kilogramm strebt Farasis an.
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In seinem Entwicklungszentrum in Stuttgart fertigt das Unternehmen heute schon Prototypen und Kleinserien von Modulen und Packs, auch für die kommende Generation der Zellen mit 330 Wh/kg. Wo die Batteriezellen hergestellt werden, darüber entscheiden in dem preissensiblen Geschäft die Kosten; „und auch das Thema CO2 spielt mit hinein“, sagte Wolf.
Neben Daimler arbeitet Farasis mit dem türkischen E-Autohersteller Togg zusammen, der sein erstes Auto im Jahr 2022 auf den Markt bringen will. Farasis ist als Batterielieferant nominiert, beide Unternehmen wollen eine Batterieproduktion in der Türkei aufbauen. Ursprünglich sollten die Batteriezellen für Togg ebenfalls aus Bitterfeld kommen.
Außerdem gründete Farasis mit Geely ein Gemeinschaftsunternehmen, in dem die Partner Lithium-Ionen-Energiespeichersysteme für Elektro-Fahrzeuge und weitere Energiespeicheranwendungen entwickeln und produzieren wollen. Geely will damit „mindestens 80 Prozent seines Batteriebedarfs decken“. Darüber hinaus sei Farasis mit weiteren OEMs in Gesprächen. Welche Hersteller das sind, verriet Wolf aber nicht.
Vergabe an mehrere Lieferanten üblich
Die Spekulationen um eine eigene Batteriefertigung von Daimler kommentierte Wolf nur insofern, dass Daimler eher als ursprünglich geplant aus der Produktion von Verbrennungsmotoren aussteigen wolle, was bedeute, dass früher mehr Batterien notwendig seien. Diese Mehrkapazität müsse produziert werden; wenn es um Millionen von Fahrzeugen geht, verlassen sich Automobilhersteller bei ihren Komponenten grundsätzlich nicht auf einen Zulieferer. „Schon gar nicht in einem jährlichen Multi-Milliardengeschäft wie dem mit Batterien für Elektrofahrzeuge“, sagte Wolf.
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Was steckt also hinter den Spekulationen um die eigene Zellfertigung bei Daimler? Das bleibt auch weiterhin im Dunkeln. Zwar hatte Daimler am 22. Juni in einer Pressekonferenz seine Elektrifizierungs-Strategie konkretisiert – eine Aussage zur Zusammenarbeit mit Farasis gab es dabei aber nicht.
Hintergrund zu Farasis
Farasis Energy wurde 2002 in Kalifornien (USA) gegründet und eröffnete 2009 den ersten Produktionsstandort im chinesischen Ganzhou. Ab dem Jahr 2016 belieferte Farasis chinesische Autohersteller mit Batterien. Im Juli 2020 kaufte sich Daimler mit rund drei Prozent der Aktien bei dem Start-up ein. Seit Ende Juni dieses Jahres arbeitet der Zulieferer Hella mit Farasis zusammen.
Das Unternehmen hat aktuell rund 4.000 Beschäftigte: in Forschungs- und Entwicklungszentren in China, Deutschland und in den USA sowie an seinen beiden Produktionsstätten in Ganzhou und Zhenjiang (China). Die europäische Tochter Farasis Energy Europe hat ihren Sitz in Frickenhausen bei Stuttgart. In Bitterfeld hatte Farasis Investitionen in Höhe von 600 Millionen Euro angekündigt, rund 600 Arbeitsplätze sollten entstehen.
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