IAA Nutzfahrzeuge 2016 Daimler Trucks stellt Assistenzsysteme vor
Mercedes-Benz Lkw hat seine Neuheiten vorgestellt, die auf der IAA Nutzfahrzeuge im September zu sehen sind. Dazu gehören mit dem Notbremsassistenten inklusive Fußgängererkennung und dem Abbiegeassisten zwei Weltneuheiten, die ab Dezember lieferbar sind.
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In Wörth, dem größten Lkw-Montagewerk der Welt, hob Mercedes-Benz Trucks den Schleier von seinen Neuheiten der IAA Nutzfahrzeuge. Selbst die dortige Teststrecke rückte in den Mittelpunkt der IAA-Vorschau. Auf ihr präsentierten die Stuttgarter der internationalen Presse die neuen aktiven Sicherheitssysteme mit Personenerkennung – in Aktion: den Active Brake Assist 4 (ABA 4) mit Fußgängererkennung und den Abbiegeassistenten, der vor Fußgängern, Radfahrern sowie Hindernissen warnt, und jetzt endlich die Markteinführung hat. Die Vorführungen zeigten, dass ein Actros mit ABA 4 aus 80 km/h sicher vor Ingo Scherhaufer, Leiter Fahrerassistenzsysteme bei Mercedes-Benz Trucks, mit nickendem Fahrerhaus zum Stehen kam. Ebenso beeindruckten die Vorführungen des Lkw mit Abbiegeassistenten, wo es zu keiner Gefährdung des Fahrradfahrers kam und der Fahrer vor Hindernissen in der Schleppkurve gewarnt wurde. Zusammenfassend erklärte Dr. Andreas Schwarzhaupt, Leiter Fahrerassistenzsysteme Serienentwicklung Mercedes-Benz Lkw, den Journalisten: „Wir glauben an die Vision des unfallfreien Fahrens.“
Elektronischer Beifahrer
Obwohl die Zahl der getöteten Verkehrsteilnehmer in Verbindung mit Nutzfahrzeugen ab 3,5 t in der EU zwischen den Jahren 2004 bis 2013 um knapp 50 Prozent von 7.826 auf 4.021 Todesopfer sank – die Gesamtzahl der Getöteten bei Straßenverkehrsunfällen reduzierte sich im gleichen Zeitraum um 45 Prozent auf rund 26.000 Verkehrstote – stieg gleichzeitig die Verkehrsleistung von Lkw deutlich. Das Statistische Bundesamt und der Unternehmerverband BGL bilanzieren für Deutschland von 1992 bis 2014 eine Zunahme der Transportleistung von Lkw in Tonnenkilometern um 85,3 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Verkehrstoten bei Unfällen mit Lkw-Beteiligung um 59,7 Prozent. Aber ein Drittel der Verkehrstoten sind Fußgänger (22 Prozent) und Radfahrer (acht Prozent). Die meisten dieser Unfälle finden innerorts statt, auch ist der Rückgang der Zahl der Verkehrstoten in diesen Gruppen deutlich geringer ausgeprägt als bei anderen Verkehrsteilnehmern: Im Vergleichszeitraum verringerte sich die Zahl der Verkehrstoten in der EU unter den Radfahrern um lediglich 32 Prozent, bei den Fußgängern um 38 Prozent.
Schwere Unfälle auf Autobahnen und Fernstraßen machen Schlagzeilen, doch die Realität ist häufig anders. In Deutschland etwa sind rund 30 Prozent der Verkehrstoten innerorts zu beklagen; bei tödlichen Verkehrsunfällen mit Fahrzeugen des Güterverkehrs sind es sogar rund 50 Prozent. Neuralgische Punkte sind dabei Abbiegen, Einbiegen und der Kreuzungsverkehr. Das deutsche Statistische Bundesamt hat 2014 für den Güterverkehr innerorts exakt 16.365 Unfälle mit Personenschaden gezählt und fast die Hälfte davon geschah in diesem Umfeld. Fast immer lag die Schuld beim Lkw-Fahrer, weil es für einen Lkw-Fahrer fast unmöglich ist, in einer dynamischen Verkehrssituation die Gesamtlage vollständig zu überblicken. Jetzt bekommt der Fahrer von seinem „Beifahrer“, dem Abbiegeassistenten, optisch und akustisch signalisiert, dass sich ein Fußgänger, ein Radfahrer oder ein stationäres Hindernis im Fahrweg befindet.
Warnung und Aktion parallel
Die Ingenieure von Mercedes-Benz Lkw entschieden sich bei der Technik des Abbiegeassistenten für die Radarsensorik statt eines Kamera-Monitor-Systems. Ihre Untersuchungen ergaben, dass das Radar Abstand, Geschwindigkeit und Position potenzieller Hindernisse zuverlässig erkennen und Objekte exakt vermessen kann – und das auch bei schlechten Sichtverhältnissen, zum Beispiel bei Schneefall und Nebel. Zudem würde der Fahrer mittels Kamera-Monitor-Systems nicht aktiv gewarnt und seine Belastung durch den weiteren Bildschirm – zu den bereits vorhandenen zahlreichen Spiegeln – während des Abbiegevorgangs zusätzlich erhöht.
Der „ABA 1“ von Mercedes-Benz Lkw hat die Sicherheitstechnik revolutioniert und war bei seiner Einführung vor zehn Jahren der erste Notbremsassistent im Lkw, der selbstständig auf Hindernisse bremst. Fortlaufend weiterentwickelt gewährleistete der „ABA 3“ im Jahr 2012 eine automatische Vollbremsung innerhalb der Systemgrenzen bis zum Stillstand auch auf stehende Hindernisse. Inzwischen sind selbstständig eingreifende Notbremsassistenten bei neu zugelassenen schweren Lkw in der EU vorgeschrieben. Doch schon der aktuelle „ABA 3“ der Stuttgarter kann mehr, als die EU in der zweiten verschärften Stufe ab November 2018 vorschreibt. Der neue „ABA 4“ mit Personenerkennung ist für Schwarzhaupt ein weiterer Meilenstein der Entwicklung aktiver Sicherheitstechnologien. Er warnt den Fahrer als weltweit erstes System seiner Art vor einer Kollision mit Fußgängern und leitet zusätzlich gleichzeitig automatisch eine Teilbremsung ein. Das eröffnet dem Fahrer die Möglichkeit, durch eine Vollbremsung oder ein Lenkmanöver die Kollision zu vermeiden. Zusätzlich kann er seinerseits gefährdete Fußgänger durch Betätigung der Hupe warnen.
Umfangreiche Hindernis-Erkennung
Der Active Brake Assist 4 löst gegenüber dem Vorgänger eine zusätzliche Warnung sowie eine Teilbremsung auf sich bewegende Fußgänger aus. Anders als bei der Bremsung auf bewegte und stehende Hindernisse erfolgt bei der Warnung und Teilbremsung auf bewegte Fußgänger keine Warnkaskade: Die akustische und optische Warnung sowie die Teilbremsung setzen zeitgleich ein. Die Radartechnik erfasst je nach Entfernung diverse Objekte vor dem Lkw: im Fernbereich bis 250 Meter in direkter Linie vor dem Lkw Fahrzeuge und Hindernisse, Fußgänger bis 80 m und dazwischen sind Motorräder und Radfahrer beziehungsweise Mopedfahrer (160 m) angesiedelt. Das Radar für den Fernbereich hat einen maximalen Öffnungswinkel von 18 Grad und das für den Nahbereich 120 Grad, wobei es auch Fahrzeuge und bewegte Fußgänger seitlich vor dem Fahrzeug erfasst. Die Sichtweite ist dabei abhängig von Topografie, Straßenverlauf sowie den Witterungsbedingungen und von Einflüssen der Umgebung, wie etwa sich schnell in den Verkehrsraum bewegende Fußgänger oder verdeckte Fußgänger.
Für fast alle Verkehrssituationen
Der „ABA 4“ erkennt Fußgänger in Bewegung in nahezu allen Verkehrssituationen: quer auf die Fahrspur des Lkw laufend, hinter Hindernis hervortretend oder längs auf der Fahrspur bewegend. Ebenso werden Fußgänger im Bereich des Radars beim Abbiegen nach links und rechts erkannt. Die automatischen Warn- und Bremsreaktionen der Personenerkennung erfolgen bis zu einer Fahrzeuggeschwindigkeit von 50 km/h, dieselbe auf stehende und bewegte Hindernisse über den gesamten Geschwindigkeitsbereich von null bis 90 km/h. Der Fahrer kann den „ABA 4“ bei Bedarf jederzeit übersteuern, etwa durch Lenkbewegung, Kick-down oder Notbremsung. Bremst der Fahrer jedoch zu schwach, hat die Bremsintensität des Active Brake Assist 4 Vorrang.
Bei dem neuen elektronisch scannenden Multi-Mode-Radar arbeitet das Radar des Fernbereichs erstmals unabhängig vom eingestellten Fahrniveau und kann sich permanent auf veränderte Fahrzeugneigung einstellen, die sich durch Fahrwerks- oder Beladungszustände einstellt. Der Active Brake Assist 4 ist ab Dezember 2016 lieferbar und mit Fußgängererkennung analog zum „ABA 3“ für alle Fernverkehrs-Baumuster von Mercedes-Benz erhältlich. Der „ABA 4“ ist als einzelne Sonderausstattung für 5.500 Euro lieferbar. Das komplette Safety Paket mit allen Assistenten einschließlich des „Beifahrers“ für das sichere Abbiegen soll 12.000 Euro bis 15.000 Euro kosten.
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