Fahrbericht So fährt sich das Solarauto Lightyear Zero

Quelle: sp-x

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1.000 Kilometer ohne Ladestopp – mit seinen Solarzellen auf Hauben und Dach will der Lightyear Zero die Elektromobilität auf den Kopf stellen.

Das holländische Start-up verlangt einen hohen Preis für das angeblich aktuell sparsamste E-Auto auf dem Markt.
Das holländische Start-up verlangt einen hohen Preis für das angeblich aktuell sparsamste E-Auto auf dem Markt.
(Bild: Lightyear)

Den ersten Kilometer fährt er kaum schneller als Schrittgeschwindigkeit. Die Energie für seine Jungfernfahrt liefert dem Lightyear Zero die Sonne. Denn die gut fünf Meter lange Flunder aus den Niederlanden ist das erste serienreife Solarauto der Welt.

Entwickelt von fünf Studenten der Uni Eindhoven, die vor nicht einmal zehn Jahren die Solar World Challenge in Australien gewonnen und erst 2016 ihre eigene Firma gegründet haben, will es nicht weniger, als die Elektromobilität auf den Kopf stellen – oder zumindest ihre größten Probleme lösen.

Das Laden wird zur Nebensache

„Wir nehmen den Fahrern endgültig die Reichweitenangst, machen das Laden zur Nebensache und drücken langfristig die Kosten“, sagt Firmengründer Lex Hoefsloot. Wobei zumindest letzteres bei einem stolzen Startpreis von knapp 300.000 Euro eine mutige Ansage ist.

Zwar ist die Schleichfahrt unter der prallen Sonne am spanischen Himmel eine eindrucksvolle Demonstration für die Leistungsfähigkeit der rund fünf Quadratmeter großen Solarzellen auf Hauben und Dach des Lightyear Zero. Doch wissen die Niederländer selbst, dass damit alleine kein Staat zu machen ist.

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Weder sind die 40 bis 50 Kilometer, die in unseren Breiten pro Tag vom Himmel zu holen sind, wirklich ausreichend. Noch wird sich irgendwer mit Schritttempo begnügen. Deshalb reicht ein Tritt aufs Fahrpedal, der Zero nimmt deutlich an Tempo auf und rollt so flott und so unauffällig über die spanischen Landstraßen wie jedes konventionelle Elektroauto.

Normverbrauch von 10,5 kWh auf 100 Kilometer

Dass der Bordcomputer dabei trotz der bescheidenen Batterie von gerade mal 60 kWh eine imposante Reichweite von mehr als 500 Kilometern ausweist, liegt an der nahezu konkurrenzlosen Effizienz des elektrischen Erstlings. Der Zero kommt auf einen bei Serienfahrzeugen bis dato unerreichten Normverbrauch von 10,5 kWh auf 100 Kilometer – und wird lediglich unterboten vom Mercedes EQXX.

„Wenn wir dann bedenken, dass die meisten Menschen deutlich weniger als 100 Kilometer am Tag fahren, reicht der Batteriestrom für eine Woche, in der dann pro Tag noch bis 50 Kilometer Sonnenstrom dazu kommen. So kann man über 1.000 Kilometer fahren, bis man tatsächlich aus dem Netz nachladen muss“, rechnet Technikchef Arjo van der Ham vor.

Für diese imposante Effizienz haben die Niederländer an allen Stellschrauben gedreht: Mit minimaler Stirnfläche, Kameras statt Spiegeln, voll verkleideten Rädern und einem scharfen Schnitt am langen Heck hat der Zero einen cw-Wert von nur 0,19.

In zehn Sekunden von 0 auf 100

Damit sticht er den aktuellen Weltmeister Mercedes EQS aus und wiegt mit knapp 1,6 Tonnen weniger als manch konventioneller Kleinwagen. Und um mechanische wie elektrische Verluste zu reduzieren, bauen die Niederländer zum ersten Mal Radnabenmotoren ein, statt die E-Maschinen wie üblich auf die Achsen zu stecken.

Allerdings müssen auch die Insassen ein paar Kompromisse machen: Die Fahrleistungen liegen ganz im Gegensatz zu Preis und Proportionen auf dem Niveau eines Kleinwagens.

Schließlich leisten die vier Radnabenmotoren zusammen gerade mal 132 kW/180 PS, von 0 auf 100 km/h gönnt sich der Flachmann stolze zehn Sekunden und schon bei 160 km/h ist es vorbei mit dem Vortrieb.

Platz in Hülle und Fülle

Und das Ambiente ist ungewöhnlich frugal. Dass die Innenausstattung vegan ist, mag vielleicht noch in die Zeit passen, Platz gibt es in Hülle und Fülle, und der Kofferraum ist mit 640 Litern sogar ziemlich konkurrenzlos.

Doch flirrende Bildschirmlandschaften sucht man genauso vergebens wie den Knopf für die Sitzklimatisierung oder den Autopiloten, weil sich Lightyear mit Blick auf Kilos und Kosten mit dem nötigsten begnügt.

Das gilt auch für die Ladetechnik. „Weil bei so einem effizienten Auto in wenigen Minuten der Strom für viele Kilometer fließt, haben wir uns mit einer Ladeleistung von 60 kW begnügt“, sagt van der Ham.

Teures Vergnügen

Und trotzdem ist der Zero ein ebenso exklusives wie teures Vergnügen. Denn mehr als 946 Exemplare werden es nicht – das sind übrigens die ersten drei Stellen, wenn man ein Lichtjahr in Kilometer umrechnet – und mit 297.500 Euro kostet er mehr als jedes Tesla Model S, der Lucid Air oder der Mercedes EQS.

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Aber schon in zwei, drei Jahren wollen die Niederländer die Stückzahlen dramatisch erhöhen und die Preise entsprechend senken. Dann planen sie eine solare Antwort auf Autos wie den VW ID 4 oder den Renault Mégane, die etwa 30.000 Euro kosten und pro Jahr über 100.000 Mal produziert werden soll.

Und es sind nicht nur die Stückzahlen, mit denen Lightyear die Kosten für Elektromobilität drücken will. Die Solartechnik selbst soll zum Sparfaktor werden. Für den Hersteller, weil er kleinere Batterien einbauen kann, wenn das Auto permanent nachlädt. Und für den Kunden, weil der je nach Fahrprofil bis zur Hälfte seiner Energie umsonst bekommt – und sich obendrein noch die Garage sparen kann.

Erstes Solarauto mit Serienzulassung

Corona hin, gestörte Lieferketten her – auch wenn Lightyear auf dem Weg in die Serie die Preise kräftig anheben musste, haben die Niederländer eine imposante Entwicklung hingelegt.

Zudem haben sie in vielerlei Hinsicht Wort gehalten: Ihr Sonnenwagen ist nicht nur das erste Solarauto mit Serienzulassung, sondern obendrein eines der effizientesten Elektroautos am Markt und das einzige, das tatsächlich das Zeug dazu hat, 1.000 Kilometer ohne Ladestopp zu fahren. Und zumindest in der Theorie könnte auch die Geschichte mit der Preissenkung klappen.

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Nur beim Namen habe man einen Fehler gemacht, sagt Firmengründer Hoefsloot. Zum Ende der Testfahrt verrät er, weshalb aus dem Lightyear One mittlerweile der Lightyear Zero geworden ist: „Polestar 1, AMG One, Einser BMW – wir hatten einfach den Eindruck, die Nummer 1 ist mittlerweile ein bisschen inflationär für so ein einzigartiges Auto.“ Und außerdem sei Zero irgendwie viel passender: „Denn für uns markiert der Lightyear den Beginn eines neuen Zeitalters: Die Stunde Null der Solarmobilität.“

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