Entwicklung „Auch bei Start-ups gibt es Fehlerquellen“
Agile Methoden und Scrum erobern die automobilen Entwicklungsabteilungen. Der Scrum-Spezialist Michael Ristau erklärt Vorteile und Voraussetzungen für eine gelungene Implementierung, spricht aber auch über Fehlerquellen am Beispiel von Start-ups.
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Herr Ristau, welche aktuellen Projekte aus der Automobilindustrie sind durch agile Methoden und Scrum geprägt?
Das können interdisziplinäre Projekte beziehungsweise Fragestellungen sein oder auch Entwicklungsprojekte. Ich erlebe, dass bei vielen Projekten eine schnelle und flexible Umsetzung gefragt ist. Gerade bei Projekten mit großem E/E-Anteil ist eine agile Umsetzung sehr naheliegend. Zudem finden auch Vorentwicklungsprojekte, die nicht auf einen engen Organisationsrahmen angewiesen sind, in agiler Vorgehensweise statt.
Funktionieren agile Methoden vor allem bei sehr innovativen Projekten besser? Denken die Mitarbeiter hier freier?
Aus meiner Sicht fängt Agilität und damit die agilen Methoden bei der Einstellung an. Diese Einstellung deckt sich in der Tat sehr gut und häufig mit den Inhalten und der Vorgehensweise bei sehr innovativen Projekten. Es ist schwierig zu sagen, ob bei agilen Projekten die Beteiligten und Mitarbeiter tatsächlich freier denken oder nicht. Aber eins kann man festhalten: Der Fokus der agilen Methoden liegt unter anderem darauf, mehr Freiräume zuzulassen.
Ist es im Gegenzug wesentlich schwerer im klassischen Projektgeschäft agile Methoden und Scrum einzuführen?
Nein, nicht unbedingt. Sehr oft ist ein zielführender Weg, das konventionelle Projektmanagement mit agilen Methoden anzureichern beziehungsweise zu ergänzen. Natürlich ist das von Fall zu Fall unterschiedlich und ist somit individuell zu prüfen. Hierzu kann man aber Prüfkriterien nutzen, um zu sehen, inwieweit die agilen Methoden oder Scrum einsetzbar sind. Kriterien können hier beispielsweise zeitliche Rahmenbedingungen und Zyklen, Unternehmenskultur und auch das Produktportfolio sein.
Inwieweit wird durch das neue Vorgehen mehr Transparenz für Kunden wie Stakeholder geschaffen?
Ein Beispiel aus dem Scrum-Framework: Am Ende eines jeden Sprints, also einer Arbeitsphase, soll dem Kunden ein kleiner Bestandteil des gesamten Produkts präsentiert und übergeben werden können. Dieses sogenannte Inkrement soll in sich abgeschlossen sein und gemäß den Spezifikationen funktionieren. Dies bietet dem Kunden die Möglichkeit, den Fortschritt des gesamten Projekts in sehr vielen kleinen Schritten mitzuverfolgen. Des Weiteren hat der Kunde somit die Möglichkeit, sein Feedback sehr zeitnah einzubringen und gegebenenfalls geänderte Anforderungen zu übermitteln. Stakeholder erfahren diese Transparenz durch regelmäßige Veröffentlichung der Arbeitsergebnisse und einer hohen Dichte an Kommunikation.
Es wird oft von einem agilen Mindset gesprochen. Ist das für jeden problemlos erlernbar? Wer muss dies im Unternehmen vorleben: Der CEO oder doch eher die Entwicklungsleiter, die per se Innovationen fördern sollen?
Eine Einstellung ist nicht komplett erlernbar. Einstellungssache hat sowohl mit Werten und Kultur als auch mit dem Erleben zu tun. Und gerade über das Erleben und Mitgestalten kann ein guter Zugang zu einem agilen Mindset geschaffen werden. Zuerst muss diese Einstellung Topdown vom CEO ausgehen – Zumindest die Offenheit leben und weiter kultivieren. Natürlich müssen auch die verschiedenen Ebenen des Managements und die Entwicklungsleiter diese Einstellung weitertragen und unterstützen, damit das Ganze Früchte trägt.
Die agilen Methoden kommen aus der IT-Industrie. Fällt es somit Unternehmen mit einer wachsenden Ausrichtung auf dieses Thema (Stichwort: automatisiertes Fahren etc.) und damit auch den dazu notwendigen Mitarbeitern leichter, diese Methoden zu übernehmen?
Ja, auf jeden Fall. Hinzukommen noch weitere Punkte: Gerade bei den angesprochenen Entwicklungen und Projekten ist man zum Teil unabhängiger von Rahmenbedingungen, wie langen und unflexiblen Werkzeugerstellungszeiten und dergleichen. Manche Arbeitnehmer, die bereits in agilen Umgebungen gearbeitet haben, möchten dies gar nicht mehr missen. Denn sie haben die Vorzüge wie freie Arbeitsgestaltung und Selbstorganisation kennen und schätzen gelernt.
Start-ups werden gern als Beispiel für erfolgreiche Agilität angeführt. Gibt es bei deren Arbeit auch häufige Fehlerquellen?
Was Start-ups ausmacht, sind die Kundenorientierung und die Flexibilität, in welche Richtung ein Produkt weiterentwickelt werden kann. Auch bei Start-ups gibt es Fehlerquellen. Da muss man immer bei der Realität bleiben. Gerade das In-die-Tiefe-Gehen bei der Planung bleibt manchmal ein wenig auf der Strecke. Auch die Notwendigkeit ein solides Projektmanagement aufzusetzen kann ein Stolperstein werden: Eine grundlegende Planung zu Kosten, Budget, Terminen, Qualität, Akzeptanzkriterien und Kundenanforderungen bringt viel Klarheit und Planungssicherheit für Projekte und den weiteren Ablauf.
Wenn Sie mehr zum Thema Agile Methoden in Automotive und Engineering erfahren wollen, besuchen Sie eines unsererSeminare. Das nächste findet am 3. Dezember in München statt.
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