Carl Hirschmann: „Die GT-Modelle liefen wie geschnitten Brot“
Fahrwerke für GT-Fahrzeuge kommen an Gleitlagern der Carl Hirschmann GmbH nicht vorbei. Laut CTO Rainer Harter ist diese Nische sehr herausfordernd. Wie zum Beispiel modulare Systeme hier helfen, erklärt er im Gespräch mit »Automobil Industrie«.
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Herr Harter, Gelenkköpfe und Gelenklager sind neben Rundteiltischen und Spannsystemen eine entscheidende Produktgruppe in Ihrem Portfolio. Wie hoch ist ihr Anteil am Gesamtumsatz?
Im sehr erfolgreichen Geschäftsjahr 2018/19 haben wir mit unseren Gleitlagern 57 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaftet. Davon sind 79 Prozent Automotive-Gleitlager, die im Rennsport oder bei GT-Fahrzeugen zum Einsatz kommen. Wichtigster Kunde ist hier die Porsche AG: Es gibt kein GT-Modell der Zuffenhausener, in dem wir uns nicht befinden.
Wie lief das abgelaufene Geschäftsjahr?
2018 hat in allen Bereichen gebrummt: Wir registrierten das beste Geschäftsjahr aller Zeiten. Vor allem die GT-Modelle liefen wie geschnitten Brot. Wir sind auf drei Schichten hochgefahren. Die Herausforderung lag darin, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.
Wir blicken optimistisch in die Zukunft.
Der Branchenausblick trübt sich derzeit ein. Wie schätzen Sie die Situation ein – und wie ist Ihr Unternehmen gerüstet?
Wir bemerken, dass sich der Markt etwas eintrübt. Jedoch sind wir nicht stark davon betroffen, da unser Fokus auf mittel- und langfristigen Projekten liegt. Momentan haben wir bei einem großen Projekt einen Modellwechsel. Daraus resultieren planbare Schwankungen, auf die wir über die Auslastung reagieren können. Doch das Projekt wird uns, wie auch andere, die nächsten Jahre begleiten. Damit blicken wir optimistisch in die Zukunft.
Die Gelenkköpfe und Gelenklager werden als Serienprodukte sowie als Sonderlösungen konstruiert und gefertigt. Ab welchen Stückzahlen wird es für Carl Hirschmann interessant?
Die Stückzahl eins wird sehr selten angefragt. Die Kosten für Stückzahl eins sind einfach nicht verkaufsfördernd. Gebräuchliche Losgrößen liegen in der Größenordnung ab 10 Stück aufwärts bis 1.000 Stück. Im Prototypenbau beginnen die Größen bei ungefähr 5 Stück. Ab 50 Stück wird es spannend, und ab 100 hat es für uns Seriencharakter.
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Wirtschaft
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Woher holen Sie sich die Impulse bei der Forschung und Entwicklung?
Wir nehmen die Anforderungen unserer Nischenmärkte auf und analysieren, was wir zur Verfügung stellen können oder zielgerichtet entwickeln möchten. Vieles kommt also aus dem Markt heraus. Trendscout ist unser Vertrieb. Er hat immer ein Ohr bei den Kunden. Ein weiteres für uns wichtiges Thema ist der Leichtbau: Beispielsweise konnten wir mit unseren Alu-Titan-Leichtbaulagern 50 Prozent des Gewichtes reduzieren und dabei die gleiche Performance wie die Stahlvariante bieten. Wie oben beschrieben liegt unser Fokus auf Projekten, und innerhalb dieser ist unser F&E-Anteil unterschiedlich groß, je nach Kundenanforderungen. Vor allem der Rennsport ist ein Treiber in Richtung kleinerer und leichterer Teile. Die Grundherausforderung bleibt bestehen, die Kosten zu senken und dabei die Lebensdauer zu steigern.
Wie wichtig ist im Markt das Thema Leichtbau bei den Gelenklagern?
Der Leichtbau bleibt ein sehr interessantes Tätigkeitsfeld. Dabei müssen die Machbarkeit und die höheren Kosten beachtet werden. Das Interesse am Markt ist da.
In welchen Motorsport-Serien werden derzeit Komponenten aus Ihrem Haus eingesetzt?
Die Applikationen im Motorsport sind für uns außerordentlich wichtig, denn dort haben wir die Möglichkeit, in kurzer Zeit Produkte auf Potenzial zu prüfen. Das Feedback daraus ergibt eine gute Basis für den Einstieg in der Serie. Zu den konkreten Projekten zählen der Porsche Carrera Cup, die DTM, TCR, Rally Cross, Kundenrennsport Rally, GT3, GT4, GTE, Formula Student und Truck-Racing. In der LMP sind wir aktuell nicht mehr aktiv. Dafür sind wir nun in der Formel E vertreten.
Für GT-Fahrzeuge bieten Sie eine eigene Baugruppe. Wo liegt der Vorteil?
Wir haben in den vergangenen sechs bis sieben Jahren mit unseren Produkten vollumfänglich bei den GT-Modellen gepunktet. Aus einem breiten Portfolio heraus können wir so ziemlich jede Gleitlagerstelle in einem GT-Fahrzeug als Variante erstellen. Komplett wird dies, weil wir die Anbindung an die Radführung und die Karosserie aus einer Hand liefern. Dafür haben wir ein modulares System entwickelt. Auf Basis dieses Systems können wir sehr gut die Wünsche der Kunden und Interessenten umsetzen. Neben Porsche zählen Audi, Lamborghini und BMW zu unseren Kunden. Vor allem Porsche hat eine enorme Begeisterung für das Fahrwerk – dort begleiten wir die Entwicklung vom Start an.
Darüber hinaus haben Sie einen GT-Koffer. Was hat es damit auf sich?
Der GT-Koffer symbolisiert die Variantenvielfalt im Bereich der GT-Fahrzeuge. Wir können mit den unterschiedlichen Kombinationen aus sphärischer Gleitlagertechnik mit Gummi-Metall-Lagern Komponenten für Rennsport und Straße darstellen und begreifbar machen. Dahinter steckt unsere Kompetenz, komplette Lenkerbaugruppen mitzuentwickeln, zu fertigen und just-in-time an das OEM-Band zu liefern.
Hypercars liegen im Trend. Ist Carl Hirschmann auch dort vertreten?
In dieser Nische sind wir seit 15 Jahren mit Baugruppen dabei – beispielsweise im Porsche Carrera GT oder dem 918 Spyder. Wir erhalten Anfragen, da die Hersteller auf unsere Lösungsmöglichkeiten aufmerksam werden. Es gibt diverse Projekte und Prototypen. Die Ausstattung von Hypercars mit unseren Produkten ist mittelfristig Teil unseres Geschäftsmodells.
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Motorsport Engineering
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Warum wurde das Unternehmen in diesem Jahr zur Carl Hirschmann GmbH umfirmiert?
Verwechslung und ein Auftritt, welcher der Leistung nicht gerecht wird – das war zu oft die Rückmeldung von Kunden, Mitarbeitern und Bewerbern. Wir galten als einer der am besten versteckten Hidden Champions. Deshalb haben wir den Markenauftritt komplett überarbeitet und erinnern an die Gründung des Unternehmens im Jahr 1957 durch Carl Hirschmann. Wir sind der Präzisionsmaßstab.
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