Verstellbare Turbinenleitschaufeln Ottomotor mit VTG startet dieses Jahr

Autor / Redakteur: Wolfgang Pester / Thomas Günnel |

Beim Dieselmotor sind Abgasturbolader mit verstellbaren Turbinenleitschaufeln Standard. In diesem Jahr startet nun der Turbo mit dieser Technik erstmals in einem direkt einspritzenden Ottomotor in der Großserie.

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In diesem Jahr startet der Turbolader mit verstellbaren Turbinenleitschaufeln erstmals in einem direkt einspritzenden Ottomotor in der Großserie.
In diesem Jahr startet der Turbolader mit verstellbaren Turbinenleitschaufeln erstmals in einem direkt einspritzenden Ottomotor in der Großserie.
(Foto: Bosch Mahle Turbo Systems)

Seit Jahren ist das „Downsizing“ prägender Trend in der Automobilindustrie. Die Bezeichnung steht für Verbrennungsmotoren mit kleinem Hubraum und großer Leistung sowie geringem Verbrauch. Die Schraube bei Wirkungsgrad und Effizienz will Volkswagen weiter anziehen. Ende des Jahres starten die Wolfsburger nun die neue Ottomotoren-Baureihe EA211 TSI evo. Der erste Benziner mit weiterentwickelter Turboaufladung soll ein Sparfuchs in seinem Segment werden und hohe Antriebskraft bei niedrigen Drehzahlen bieten. Erzielt wird dies durch einen Abgasturbolader (ATL) mit verstellbarer Turbinengeometrie (VTG), wie sie etwa die Bosch Mahle Turbo Systems (BMTS) serienreif entwickelte. Die neue ATL-Generation mit VTG – BMTS nennt sie „Floating Nozzle Turbine“ (FNT) – verleiht dem kleinen, leistungsstarken Ottomotor ein hohes Drehmoment im unteren Drehzahlbereich und eine deutliche Effizienzsteigerung, die ihn nah an den Dieselmotor rücken lassen.

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20 Prozent geringerer Verbrauch

Als der Dieselmotor vor rund 25 Jahren mit Abgasturbolader als Direkteinspritzer auftrat, machte ihn sein geringer Verbrauch zum Verkaufsschlager in Europa. Und als 1996 beim ATL über die Motorelektronik auch noch die Turbinenleitschaufeln optimal eingestellt werden konnten, wurde der Turbodiesel „gesellschaftsfähig“ und bedrängt seitdem die Benziner als Antrieb in den Premiumautos. Das sogenannte Turboloch war weg, der Diesel entwickelte ungeahnte Sportwagenqualitäten, mittlerweile ist die VTG-Technik zum Standard bei Dieselmotoren geworden. Was beim Diesel mit Abgastemperaturen von über 700 Grad Celsius klappt, scheiterte bei Großserien-Benzinmotoren an einer um 200 Grad Celsius höheren Temperatur – bis dato. Zwar setzte Porsche ATL mit VTG bereits ab 2006 im 911 Turbo mit 382 kW/520 PS ein, weil der Sportwagenhersteller alles daran setzte, das Turboloch, ein mangelhaftes Ansprechverhalten beim Gasgeben, auszumerzen. Geld für die VTG-Technik spielt bei diesen Nobelautos nicht die gleiche Rolle, wie für solche in Großserienautos. Mit der Floating-Nozzle-Turbine im neuen ATL wird nun der Einsatz im Benziner demokratisiert, weil im großen Stil einsetzbar. „Wer deshalb an aufwendig und teuer denkt, liegt falsch“, sagt Dr.-Ing. Roger Busch, Geschäftsführer von BMTS. Doch umsonst ist auch diese Innovation nicht.

Mit der speziell für sparsame Downsizing-Motoren entwickelten Technik lässt sich der Verbrauch des Benzinmotors durch die Abgasturbolader mit FNT nochmals um 20 Prozent reduzieren. Doch die neue ATL-Generation steigert ebenfalls deutlich die Fahrleistung des Ottomotors. Von größter Bedeutung ist die Innovation auch mit Blick auf die kommende Umweltgesetzgebung. Ab 2017 wird mit der Abgasnorm EU6c die Schraube des Partikelgrenzwertes für Benziner deutlich angezogen. Automobilingenieure rechnen damit, dass große Fahrzeuge dann wohl einen Partikelfilter benötigen. Sein Einbau führt beim Verbrennungsmotor zwangsläufig zu einem höheren Abgasgegendruck, der die Effizienz reduziert. Die FNT im ATL des Ottomotors schafft da Abhilfe. Die verstellbare Turbinengeometrie (VTG/FNT) ist für BMTS-Chef Busch „das Gaspedal des Turboladers“. Mit ihm wird die gesamte Abgasenergie zur Ladedruckerzeugung genutzt. Mit der VTG wird der Strömungsquerschnitt und damit der Turbinendurchfluss optimal auf den Motorbetriebspunkt angepasst und das sogenannte Turboloch bei niedrigen Drehzahlen ausgeschaltet. Die neue Verstelltechnik bewirkt die höhere Effizienz von Turbolader und Motor als durch einen ATL mit sogenanntem Wastegate (Bypass). Im Gegensatz zum VTG kompensiert ein Wastegate-Turbolader den erhöhten Abgasdruck durch einen Partikelfilter mit einem größeren Turbinenrad. Das schwere und größere Turbinenrad nimmt dem Motor aber einen Teil seiner Dynamik und Durchzugskraft – das passiere nicht beim BMTS-Turbolader mit FNT, so Busch. Die FNT ermöglicht eine signifikante Steigerung der Dynamik bei einem reduzierten Volllastverbrauch und biete „eine massenmarkttaugliche Lösung für Ottomotoren der Zukunft“, so der BMTS-Chef.

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