Automatisiertes Fahren Was Level 3 für die Kfz-Versicherung bedeutet

Von Andreas Wehner |

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Mit der Mercedes S-Klasse und dem EQS sind künftig Autos unterwegs, die das Fahren selbst übernehmen können – ohne Zutun des Fahrers. Was bedeutet das für den Versicherungsschutz?

Die ersten Autos, die in bestimmten Situationen selbstständig fahren können, kommen in Kürze auf den Markt.
Die ersten Autos, die in bestimmten Situationen selbstständig fahren können, kommen in Kürze auf den Markt.
(Bild: Mercedes-Benz)

Mercedes-Benz hat als erster Autohersteller die Zulassung für ein hochautomatisiertes Fahrsystem (SAE Level 3) bekommen. In der S-Klasse und beim EQS ist es in Kürze erhältlich. Andere Hersteller dürften bald folgen. Den Regelungen zufolge dürfen Autos bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h selbstständig auf Autobahnen fahren, ohne dass der Fahrer auf den Verkehr achten muss. Er muss nur bereit sein, wieder die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen.

Doch was bedeutet das eigentlich für die Versicherung? Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat die wichtigsten Fragen rund um den Versicherungsschutz bei hochautomatisierten Fahrzeugen beantwortet.

Was leistet das neue System?

Nach Angaben von Mercedes-Benz können Fahrer mit dem „Drive Pilot“ genannten System bei hohem Verkehrsaufkommen oder Staus auf geeigneten Autobahnabschnitten in Deutschland bis 60 km/h hochautomatisiert fahren. Der Fahrer wird in dieser Zeit von sämtlichen Fahraufgaben entlastet und kann laut Hersteller bestimmten Nebentätigkeiten „auf dem Zentraldisplay“ nachgehen, „etwa Onlineshopping oder E-Mails bearbeiten“. Damit erfüllt der „Drive Pilot“ die Anforderungen an ein so genanntes Level-3-System: Der Fahrer kann sich vom Verkehr abwenden, muss aber in der Lage sein, die Steuerung des Autos und damit die Verantwortung für das Fahren wieder zu übernehmen.

Wie ist die Aufgabenteilung zwischen Mensch und Maschine geregelt?

Der Drive Pilot wird vom Fahrer über Tasten am Lenkrad aktiviert. Sobald das System erkennt, dass es die Verkehrssituation nicht mehr beherrschen kann, wird der Fahrer mit optischen, akustischen und haptischen Signalen aufgefordert, wieder die Steuerung zu übernehmen. Die Zeitspanne der Übergabe darf dabei nicht zu knapp bemessen sein: Untersuchungen der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zeigen, dass abgelenkte Fahrerinnen und Fahrer bis zu 10 Sekunden für die Übernahme und bis zu 15 Sekunden für die volle Kontrolle über eine Verkehrssituation brauchen. „Für die Nutzer automatisierter Fahrsysteme muss daher jederzeit erkennbar sein, was das System leistet und in welchem Maß sich der Fahrer anderen Dingen widmen darf“, sagt die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach. Die Versicherer hatten daher gefordert, dass Fahrer sich erst auf etwas anderes als den Verkehr konzentrieren dürfen, wenn ein System so ausgereift ist, dass

  • der Fahrer nur noch selten eingreifen muss
  • er in solchen Fällen genug Zeit für eine Reaktion hat
  • das Auto auch ohne Hilfe des Fahrers sicher zum Stehen kommt.

„Im Sinne der Verkehrssicherheit ist zu begrüßen, dass das erste hochautomatisierte Fahrsystem zunächst nur in einem begrenzten Geschwindigkeitsbereich und auf Autobahnen zum Einsatz kommt – also in Verkehrssituationen ohne Gegen- und Querverkehr, ohne Fußgänger und ohne Radfahrer“, sagt Käfer-Rohrbach.

Wer zahlt, wenn das System einen Unfall verursacht?

Am Versicherungsschutz ändert der Grad der Automatisierung nichts: „Niemand muss sich sorgen, dass er nach einem Unfall mit einem automatisiert fahrenden Auto schlechter wegkommt als bislang. Das geltende Recht hat eine einfache und klare Antwort auf die Frage, wer Unfallopfer entschädigt: Das macht die Kfz-Haftpflichtversicherung des Halters. So gewähren wir ein Höchstmaß an Opferschutz und tragen wesentlich zur gesellschaftlichen Akzeptanz automatisierter Autos bei“, erklärt Käfer-Rohrbach.

Gleichzeitig sei diese Regelung natürlich kein Freibrief für Automobilhersteller oder Zulieferer: „Wer auch immer mangelhafte Systeme auf den Markt bringt, muss sich im Rahmen geltender Gesetze verantworten. Die Kfz-Versicherer würden entsprechende Produkthaftungsansprüche prüfen und durchsetzen“, so Käfer-Rohrbach.

Daher hat auch der Gesetzgeber Möglichkeiten vorgesehen, nach einem Unfall mit einem hochautomatisierten Fahrzeug feststellen zu können, wer oder was den Unfall verursacht hat. „Heute ist das in aller Regel der Fahrer, bei Fahrzeugen mit hochautomatisierten Fahrfunktionen wird die Suche nach der Fehlerquelle komplexer“, so Käfer-Rohrbach. Der Fahrer könne ebenso gut einen Fehler gemacht haben wie der Hersteller, ein IT-Dienstleister, Mobilfunkanbieter, Netzbetreiber oder Kartenanbieter. Fahrzeuge mit hochautomatisierten Funktionen müssen daher einen Datenspeicher an Bord haben, der aufzeichnet, ob der Mensch oder der Computer in einer bestimmten Situation die Fahraufgabe innehatte, wo sich das Auto wann befand, wann die Steuerung gewechselt oder der Fahrer zur Übernahme aufgefordert wurde beziehungsweise ob eine technische Störung aufgetreten ist.

Werden automatisierte Fahrsysteme wie der Drive Pilot zu weniger Unfällen und geringeren Schäden führen?

Staupiloten dienen in erster Linie dem Komfort der Fahrerinnen und Fahrer. Die der Funktion zugrunde liegenden Assistenzsysteme wie Notbremsassistenten und Spurhaltesysteme sorgen aber tatsächlich für weniger Unfälle und mehr Sicherheit im Straßenverkehr, wie eine Studie des GDV jüngst zeigte. Allerdings verbreiten sich Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen nur langsam im Fahrzeugbestand und machen Reparaturen gleichzeitig teurer. „Unter dem Strich werden durch die neuen Systeme bis 2040 die Unfallzahlen um 13 bis 19 Prozent, die Entschädigungsleistungen der Kfz-Versicherer nur um rund zwölf Prozent sinken“, prognostiziert Käfer-Rohrbach. Im Bezugsjahr der Studie 2019 hatten die Versicherer Schäden in Höhe von rund 25 Milliarden Euro reguliert.

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