Gastkommentar Autonomes Fahren: Was kommt nach dem großen Hype?

Von Florian Petit* |

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Der Höhepunkt des Hypes um das autonome Fahren ist vorüber. Was folgt nun? Ein Gastkommentar von Florian Petit, Mitgründer des Lidarherstellers Blickfeld.

Florian Petit ist einer der drei Gründer des Lidar-Start-ups „Blickfeld“ aus München.
Florian Petit ist einer der drei Gründer des Lidar-Start-ups „Blickfeld“ aus München.
(Bild: Blickfeld)

„Geplatzte Träume – das Ende des autonomen Fahrens?“ – Überschriften mit ähnlichem Tenor liest man in den letzten Monaten vermehrt. Während vor einigen Jahren noch rosige Zukunftsszenarien gemalt wurden, die uns schon bald Zeitung lesend in vollständig autonomen Fahrzeugen sitzen sahen, ist eine gewisse Ernüchterung in der Branche eingekehrt. Manche schreiben die volle Autonomie sogar ganz ab, andere vergleichen sie mit einer bemannten Mars-Mission. Diese Wende kommt nicht von Ungefähr: In diversen autonomen Pilotprojekten sind zuletzt die Grenzen der Technologie und Software deutlich geworden.

Während totale Schwarzmalerei sicherlich nicht angebracht ist, ist ein gewisser Realismus an dieser Stelle auch nicht hinderlich. Denn Hypes führen zu Wettrennen und in den letzten Jahren hat sich deutlich gezeigt, dass die Entwicklung autonomer Fahrzeuge kein Wettrennen sein darf. Es darf nicht darum gehen, wer als erstes autonom fährt, sondern die Essenz der Entwicklungen muss vielmehr ein sicheres autonomes Fahren sein.

Es darf nicht darum gehen, wer als erstes autonom fährt.

Status quo: Assistiertes Fahren

Nun war es natürlich auch nicht zu erwarten, dass die Automobilindustrie von komplett manuell direkt zur Vollautonomie springt. Trotz technischer Disruptionen durchlaufen Fahrzeuge vielmehr immer noch eine stufenweise Weiterentwicklung von automatisierten Fahrfunktionen, wobei einige sicherlich bereits erklommen sind. Diese Entwicklung wird in Level von 0 (gänzlich manuell) bis 5 (Autonom) unterteilt.

Aktuell entspricht der Großteil der modernen Autos Level 2: Autos, die mit entsprechenden Systemen ausgestattet sind, sind in der Lage, automatisiert Assistenzfunktionen auszuführen, wie etwa die Spur, den Abstand zu anderen Fahrzeugen oder das Tempo konstant zu halten. Der Fahrer muss jederzeit aufmerksam am Steuer bleiben. Ganz offensichtlich sind wir also noch ein gutes Stück vom vollautonomen Fahren entfernt – und das gilt nicht nur für die Entwicklung, sondern auch für die Gesetzgebung in vielen Ländern sowie die Akzeptanz der Verbraucher.

Intelligente Technologien wie fortgeschrittene Sensorik sorgen für verbesserte Umfelderfassung und können das Fahren sicherer und angenehmer machen. Diese Vorteile werden schrittweise eingeführt, dort wo sie Sinn machen und einfach umzusetzen sind. Dabei kann es sich um Anwendungen auf Level 2+ mit erweiterten Assistenzsystemen, Level 3 mit Automatisierung in bestimmten Situationen oder Level 4 mit der vollen Automatisierung handeln.

Nächster Schritt: Automatisiertes Fahren auf der Autobahn

Ein nachvollziehbarer und möglicherweise nächster Entwicklungsschritt ist der des automatisierten Fahrens auf Autobahnen. Im Gegensatz zum Fahren in Städten hat Automatisierung in diesem Szenario klare Vorteile: Keine Fußgänger, Radfahrer oder andere, wenig geschützte Verkehrsteilnehmer, die unangekündigt die Fahrbahn kreuzen können, kein Querverkehr, kein Abbiegen, keine Ampeln. Stattdessen (im besten Fall) gleichmäßiges Geradeausfahren mit gelegentlichen Spurwechseln. Zudem ist der Mehrwert der Automatisierung des Autobahnfahrens selbst den Fahrenthusiasten zu vermitteln, da hier mehr Zeit verloren geht, als Spaß gewonnen wird. Gerade für Menschen, die häufig lange Strecken zurücklegen, stellt dieser Schritt der Automatisierung eine große Erleichterung dar.

Einige Herausforderungen gilt es in diesem Level dennoch zu meistern. Ein großes Fragezeichen stellt beispielsweise die Übergabe zwischen Fahrzeug und Fahrer dar, etwa wenn die Autobahn verlassen werden soll oder eine Situation eintritt, die die Fähigkeiten des Fahrzeugs übersteigen. Wie soll der Fahrer informiert werden? Was für Tätigkeiten sind erlaubt, während das Fahrzeug selber steuert? Diese Fragen müssen vor allem von der Gesetzgebung geklärt werden. Zudem muss die technische Seite dieses Szenarios einwandfrei funktionieren, also das Fahrzeug „wissen“, wann es die Kontrolle zurück an den Fahrer übergeben muss.

Technische Voraussetzungen für sichere autonome Autos

Im Mittelpunkt der Entwicklung der Level oberhalb von 2+ steht die Umfelderfassung. Nur wenn Autos dazu in der Lage sind, ihre Umgebung zuverlässig zu erfassen, ist eine sichere autonome Steuerung möglich. Hierzu werden Sensor-Suiten eingesetzt, die aus verschiedenen Technologien, wie etwa Kamera, Radar oder Lidar bestehen.

Jeder dieser Sensoren bringt gewisse Vor- und Nachteile mit. Radarsensoren können Geschwindigkeiten und Abstände erfassen, liefern dabei aber keine große Detailtiefe und Reichweite. Kameras nehmen zwar Details und Farbbilder auf, tun dies allerdings nur in 2D. Diese Informationen müssen nach dem Erfassen mit Hilfe von selbstlernenden Algorithmen und künstlicher Intelligenz in 3-D-Informationen umgesetzt werden, um zuverlässigen Aufschluss über die Fahrzeugumgebung geben zu können. Jedoch reicht etwa ein unbekannter Gegenstand auf der Straße, ein beschädigtes Verkehrsschild oder eine ungünstige Lichtsituation aus, und die Kamerainformationen sind unbrauchbar oder werden falsch interpretiert.

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Dieses Problem umgehen Lidar-Sensoren. Da diese Art von Laser-basierten Sensoren von vornherein 3-D-Daten sammelt, können Gegenstände und Begrenzungen zuverlässig wahrgenommen werden. Hinzu kommt, dass Lidars mit einer deutlich höheren Auflösung operieren als Radarsensoren, was besonders bei Autobahn-Geschwindigkeiten und für einen hohen Detailgrad wichtig ist. Um diese genaue Umgebungserfassung zu erreichen, sendet der Lidar-Sensor mehrere Tausend Laserimpulse pro Sekunde aus, die von Objekten im Sichtfeld reflektiert werden. Durch die Messung der Zeit, die das Licht benötigt, um vom Sensor wieder aufgefangen zu werden, lässt sich die genaue geografische Position der umgebenden Objekte identifizieren. Auf Basis dieses Sensor-Zusammenspiels wird automatisiertes Fahren in den nächsten Jahren möglich werden.

Nach dem Hype

Die Frage, was nun auf den großen Hype folgt, ist damit beantwortet – und sie sollte eigentlich niemanden überraschen: Der nächste Schritt ist nicht, wie im Hype proklamiert, die volle Autonomie, sondern vielmehr die Teilautomatisierung von bestimmten Fahrszenarien. Die Entwicklung dorthin ist längst in Gang gesetzt. Die autonome Zukunft kommt – schrittweise.

Über den Autor

*Dr. sc. Florian Petit hat sich vor der Gründung von Blickfeld mit der Steuerung von Robotern im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten an der TU München, der Stanford University, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der ETH Zürich beschäftigt. Der Robotiker promovierte auf dem Gebiet der Mensch-Maschine-Kollaboration. Bei Blickfeld ist er für die Bereiche Marketing, Sales und Business Development verantwortlich.

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