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Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Studierenden wirklich Fähigkeiten erlangen, die in Unternehmen gefragt sind?
Neben der praxisnahen Lernprojekten und dem Peer-Learning haben wir Strukturen, die einem dualen Ausbildungssystem ähneln. Zweimal gehen die Studierenden während ihrer Ausbildung bei uns in die Wirtschaft. Dabei überzeugen wir uns im Vorfeld davon, dass die Manager bzw. Mentoren in den Unternehmen sie auch passend einsetzen. Zwei Drittel bekommen übrigens bereits nach dem ersten Praktikum ein Jobangebot, ein Drittel nimmt das auch an.
Sind sie denn nach so kurzer Ausbildung tatsächlich schon weit genug?
Aus unserer Einschätzung sind die Studenten zu diesem Zeitpunkt in etwa auf Bachelor-Niveau. Der Rest kommt anschließend wieder zu uns an die Schule, wählt eine oder mehrere Spezialisierungen und macht ein zweites Praktikum. Danach hat man dann Master-Niveau. Während des gesamten Studiums setzen wir zudem auf ein Fellowship-Programm. Experten aus Wissenschaft und Praxis unterstützen die Studierenden mit Mentoring und Coaching. Sie teilen ihr Wissen in offenen Lernsessions mit den Studierenden. Danach können die Studenten auf sie zugehen und sehen, ob beide Seiten an einer Mentoring-Beziehung interessiert sind. Da sind großartige Leute etwa von Google, Microsoft, Red Hat, Volkswagen, Porsche, etc. dabei.
Können Studierende die Schule jederzeit verlassen und erhalten dann trotzdem eine Abschlussurkunde?
Wer sehr schnell sein will, wird von uns nicht zurückgehalten. Wichtig ist uns aber, dass sich die Studierenden schon intensiv mit der 42 beschäftigen – es ist ein Vollzeitstudium. Minimum 24 Stunden pro Woche sollten es schon sein. Neben einem Vollzeitjob geht das eigentlich nicht.
Man kann die Projekte und Examen so oft man will wiederholen. Ein „schneller“ Verlauf sieht bei uns so aus: 12 Monate Grundstudium, 6 Monate Praktikum. 1,5 Jahre Spezialisierung, dann ein zweites Praktikum und dann geht es in den Job.
Lassen Sie uns über die Spezialisierung sprechen. Eine davon ist auf den Automotive-Sektor ausgelegt. Was muss ein Software-Entwickler können, der in der Mobilitätsbranche durchstarten will?
Wir haben bis heute 15 Experten aus Wissenschaft – etwa Professoren von der TU München oder der TU Braunschweig – und den Forschungsabteilungen der Wirtschaft zusammengebracht, um zu entscheiden, welche Skills Software-Entwickler für die Automobilbranche brauchen. Drei große Felder haben sich herauskristallisiert. Einmal Embedded Systems. Also das Auto als Hardware, das man mit Sensorik, einem Betriebssystem bis hin zur Cloud automatisieren muss. Dann natürlich autonomes Fahren. Wer da die Grundlagen nicht versteht, wird es im Auto-Umfeld künftig schwer haben. In beiden Gebieten kann man übrigens sehr gut an Raspberry-Pi-Modellautos lernen. Drittes Feld: Mobility Ecosystems. Autonomes Fahren ist sicher wichtig in der Wüste oder nachts auf Alpenstraßen. Aber in über 90 Prozent der Fälle wird es um kooperatives Fahren gehen. Verkehrsfluss, Sicherheitswarnungen und Co. – das sind keine Leistungen, die ein einzelner Player bereitstellt, sondern wofür es ein gemeinsames Ökosystem braucht. Dafür braucht man Interoperabilität. Das Thema liegt mir als Internet-Enthusiast besonders am Herzen.
Aber arbeiten die meisten Automobilhersteller aktuell nicht eher an ihren eigenen Lösungen statt an übergreifenden Systemen?
Tatsächlich bin ich sehr verwundert darüber, dass die Automotive-Welt mit dieser Idee noch fremdelt. Meiner Meinung nach müssen wir die offene Internet-Denke in die Mobilität bringen. Es geht nicht darum, das nächste Google, Amazon oder Facebook für den Verkehr zu schaffen, sondern Dienste ähnlich dem Web als offene Plattform für alle Akteure nutzen. Das Netz ist nicht umsonst der Innovationstreiber schlechthin. Der Zugang ist einfach, alle können mitmachen.
Die Idee, dass Daten das neue Öl sind, ist Schwachsinn. Daten werden nicht weniger, wenn man sie teilt. Das verstehen viele aber leider noch nicht.
Nur will von den Auto-Unternehmen niemand gerne seine Daten teilen …
Die Idee, dass Daten das neue Öl sind, ist Schwachsinn. Daten werden nicht weniger, wenn man sie teilt. Das verstehen viele aber leider noch nicht. Natürlich sind beispielsweise Sicherheitsfragen ein Thema. Man bekommt online ab und zu eine 404-Fehlermeldung. Und selbstverständlich darf es keine Coding-Fehler geben, wenn ein Auto mit 200 km/h unterwegs ist. Aber ist das Internet schon einmal komplett zusammengebrochen? Nein. Ein schönes Beispiel für Open Source, dass ich gerne heranziehe: Volvo hat 1956 den Dreipunktgurt allen zugänglich gemacht. Das hat seitdem unzählige Menschenleben gerettet. Und ähnlich sollten wir auch mit unseren Themen jetzt vorgehen. Für jede Marke bleibt trotzdem genug Raum zur Differenzierung. Ich sehe aktuell aber eben leider viel Brachland beim Thema Open Source. Da bestehen große Chancen, etwas zu bewegen. Mit guter Digitalisierung kann man noch sehr viel erreichen.
Ihre Ideen müssen natürlich auch finanziert werden. Die 42 Wolfsburg wird im ersten Jahr mit 3,7 Millionen Euro von Volkswagen gefördert. Haben Sie sich schon weitere Gelder von Volkswagen oder auch anderen Unternehmen sichern können?
Die 3,7 Millionen Euro waren dafür, die Schule an den Start bringen zu können. Für die Folgejahren ist Volkswagen jetzt mit zwei Millionen Euro pro Jahr dabei. Die Grundkapazität ist also gesichert. Wir freuen uns, dass immer mehr Partner dazukommen, die durch Technologie, Sachspenden, Knowhow und Funding unterstützen. Zu nennen sind dabei beispielsweise Microsoft, Google oder Opensource-Spezialist Red Hat. Wir haben eine lange Liste von großen und kleinen Partnern, die Praktika anbieten und Experten bereitstellen. Wir wollen auch noch weitere deutsche Automobilhersteller für uns gewinnen. Manche engagieren sich bereits mit Experten, aber noch nicht institutionell. Und auch bei Zulieferern sehen wir noch viel Potenzial.
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Software-Tochter Cariad
Entwickelt VW künftig eigene Halbleiter-Chips?
Volkswagen will die eigene Software-Kompetenz stark ausbauen. Beispielsweise soll die interne Einheit Cariad von aktuell 4.000 auf bis zu 10.000 Mitarbeiter wachsen. Wie viel Druck haben Sie aus dem Konzern, möglichst schnell möglichst gute Leute auszubilden?
Das Interesse ist natürlich da. Cariad-Personalchef Rainer Zugehör ist Mitglied in unserem Verein und sehr aktiv. Aber unsere Studenten entscheiden, wo sie später arbeiten wollen. Wir haben Botschafterrollen für Studenten ausgeschrieben. Die Cariad-Rollen waren schnell weg. Da besteht also großes Interesse. Wir sind aber ein unabhängiger Verein. Es ist Cariads Job, attraktiv für unsere Studierenden zu sein.
Bei der 42 Wolfsburg soll es nicht bleiben. Haben Sie schon weitere Standorte im Blick?
In Wolfsburg läuft es. Diese Hürde haben wir erfolgreich genommen. Bei allen Partnern ist der Appetit geweckt, um am Ball zu bleiben. International entstehen im Jahr mehrere Schulen. Daran zeigt Volkswagen auch schon Interesse. In nicht allzu ferner Zukunft wird es wohl auch in Deutschland neue Standorte geben.
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