Mobilität Autos mit drei Rädern: facettenreiche Nische

Autor / Redakteur: Mario Hommen/SP-X / Thomas Günnel |

Dreirädrige Autos waren lange als kostengünstige Alternative zu vierrädrigen Kraftfahrzeugen verpönt. Inzwischen haben sie ihre Nischen besetzt – schrullig, cool und facettenreich.

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Dreirädrige Autos sind selten auf der Straße zu sehen. Dabei sind aktuelle Modelle facettenreich und fortschrittlich.
Dreirädrige Autos sind selten auf der Straße zu sehen. Dabei sind aktuelle Modelle facettenreich und fortschrittlich.
(Bild: Vanderhall)

Bereits in den Anfängen des Automobilbaus haben Dreirad-Konstruktionen eine wichtige Rolle gespielt. So handelte es sich bei dem von Bertha Benz pilotierten Patent-Motorwagen Nummer 1, der von vielen als Urknall des Autobaus gehandelt wird, um ein reinrassiges Dreirad. In den Jahrzehnten danach waren dreirädrige Mobile vor allem als einfache und günstige Auto-Alternativen gefragt. Oft hatten die Einfach-Konstruktionen einen eher schlechten Ruf. Als Umfaller berüchtigt war etwa der englische Reliant Robin, der es in Mr.-Bean-Filmen zu eher trauriger Berühmtheit gebracht hat. Trotz gewisser Imageprobleme ist die Dreiradszene aber keineswegs tot.

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Dreirädrige Klassiker

Ein absoluter Klassiker ist Morgans Threewheeler. Bereits 1910 wurde der offene Zweisitzer mit zweirädriger Lenkachse vorne und einem schmalen Hinterrad im Heck erstmals auf die Straße entlassen. Da der Brite extrem leicht war, eignete sich der Zweisitzer selbst mit schwachen Motoren als sportliches Mobil. 1952, als Autos größer und komfortabler wurden, stellte Morgan die Produktion der Einfachkonstruktion ein, um sie kurioserweise 60 Jahre später wiederzubeleben. 2012 hat die englische Traditionsschmiede einen dem Ur-Modell zumindest sehr ähnlichen Threewheeler neu aufgelegt, der mit einem 60 kW/82 PS starken V2-Motor auf ein Neues mit eigentlich einfachen Mitteln sportlichen Fahrspaß erlaubt. Mit einem Preis von rund 50.000 Euro ist der Neuzeit-Oldtimer allerdings nicht ganz billig.

Etwas günstiger dürfte die für den Sommer 2018 angekündigte Elektroversion namens EV3 werden, die dank eines 35 kW/48 PS starken E-Motors eine Sprintzeit in neun Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h ermöglicht. Eine 20-kWh-Batterie soll eine Reichweite von gut 200 Kilometer erlauben.

Eine andere britische Dreiradlegende wurde ebenfalls 2012 wiederbelebt: die Microautos Peel P50 und Trident. In den Sechzigerjahren verkaufte Peel seine schrulligen Zwergmobile in sehr überschaubarer Zahl. Tatsächlich war das kleinste Auto der Welt ein kommerzieller Flopp, doch mittlerweile haben die Peel-Mobile in der Autowelt Kultstatus erlangt und erzielen als Originalexemplare stolze sechsstellige Summen bei Auktionen. Von diesem Kult will die in London gegründete Firma Peel Engineering profitieren, die dem Original verblüffend ähnliche Nachbauten anbietet.

Die Fiberglas-Karosserie und das Design bleiben auch im neuen Jahrtausend unverändert. Beim Antrieb wurde jedoch kräftig modernisiert. Wo früher ein einzylindriger Zweitaktmotor arbeitete, kommt nun ein Viertakter zum Einsatz. Attraktivere Wahl dürfte jedoch der alternativ angebotene Elektromotor mit 3 kW/4 PS sein, der das Leichtgewicht P50 auf elektronisch begrenzte 50 km/h beschleunigt. Eine Akkuladung soll bis zu 80 Kilometer Fahrt erlauben. Die Preise starten bei umgerechnet rund 13.000 Euro ohne Mehrwertsteuer.

Vom Auto zum Leichtkraftrad

Ein weiteres Wiederbelebungsprojekt ist der Tazzari Microlino. Dabei hat der in der Schweiz beheimatete Tretrollerhersteller Micro ein elektrisch angetriebenes Replikat der BMW Isetta auf die streng genommen vier Räder gestellt. Anders als bei der Vorderachse stehen die hinteren beiden Räder allerdings sehr eng beieinander. Damit verhält sich das Minimobil eigentlich fast wie ein Dreirad. Angetrieben wird der Zweisitzer von einem 12 kW/16 PS starken E-Motor. Die 11-kWh-Batterie soll für rund 120 Kilometer Reichweite gut sein. Für 2018 wurde der Serienbau des Microlino angekündigt, der Preis soll bei rund 12.000 Euro liegen.

Ebenfalls eine Elektroversion will der im Jahr 2010 gegründete amerikanische Dreiradbauer Vanderhall im kommenden Frühjahr auf den US-Markt bringen. Der „Edison²“ genannte Flitzer mit 132 kW/180 PS starkem Elektroantrieb soll in nur vier Sekunden auf Tempo 100 sprinten und bis zu 170 km/h schnell werden. Eine 30-kWh-Batterie erlaubt sogar über 300 Kilometer Reichweite. Trotz dieser eindrucksvollen Eckdaten soll der Preis bei unter 30.000 Euro liegen. Allerdings gilt dieser für den US-Markt und ist noch ohne Mehrwertsteuer.

Wie der Microlino hat auch der Ellenator streng genommen vier Räder. Doch auch hier liegen die zwei Hinterräder eng beieinander und gelten rechtlich als ein Rad. Die Einspurhinterachse montiert die aus dem Allgäu stammende Firma Ellenrieder in konventionelle Pkws. Dabei geht es weder um Fahrspaß noch um Nostalgie – vielmehr wird ein Ellenator dank der Einspurachse hinten zusammen mit einer Leistungsdrosselung rechtlich zum Leichtkraftrad, das bereits 16-Jährige mit dem kleinen A1-Motorradführerschein fahren dürfen. Rund 5.000 Euro kostet ein Umbau bei Ellenrieder.

Eine ganz andere Führerscheinbesonderheit bietet das Dreirad Can-Am Spyder des kanadischen Herstellers Bombardier Recreational Products. Es handelt sich hierbei um eine eigenwillige Mischung aus Motorrad und Schneemobil. Der Vorteil dieser Konstruktion: Man sitzt auf dem Gefährt fast wie auf einem Motorrad, braucht aber nur den Pkw-Führerschein. Wer allerdings die Fahrphysik von Motorrädern gewohnt ist, muss sich auf dem Can-Am Spyder ziemlich umgewöhnen, da sich dieser nicht mit Schräglage in Kurven legen lässt. Längsdynamisch erreichen die mindestens 19.000 Euro teuren Dreiräder durchaus Motorradniveau. So steckt bereits in der Einstiegsversion Spyder F3 ein 1,3-Liter-Dreizylinder-Reihenmotor mit über 100 PS.

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Fahrspaß versus Nutzwert

Wiederum mehr Auto denn Motorrad ist der seit 2014 vom US-Hersteller Polaris angebotene Slingshot. Wie beim Can-Am Spyder gibt es vorne zwei und hinten ein Rad. Dazwischen befindet sich wie bei einem Roadster eine offene Fahrgastzelle mit zwei Sitzplätzen. Die nur rund 800 Kilogramm leichte Konstruktion wird von einem 129 kW/175 PS starken 2,4-Liter-Vierzylinder-Benziner angetrieben, der eine Sprintzeit von 5,7 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h erlaubt. Für diese sportlichen Fahrleistungen verlangt Polaris in Deutschland nur rund 30.000 Euro.

So gar nichts mit Fahrspaß am Hut haben es die Dreirad-Mobile von Piaggio – die wohl auch die bekanntesten sein dürften. Dabei handelt es sich um Kleinsttransporter mit Rollertechnik, die vor allem viel Nutzwert für kleines Geld bieten und sich zudem durch enge Gassen bewegen lassen. Für italienische Städte ein durchaus interessantes Konzept. Kaufen kann man diese Mini-Mobile auch in Deutschland.

Die Preise starten bei rund 5.000 Euro für die einfache Einsitzer-Variante „Ape 50“ mit offener Ladefläche. Alternativ gibt es Konstruktionen mit Kastenaufbau, Zwei-Personen-Kabine oder den Dreisitzer Calessino, der als motorisierte Rikscha eingesetzt wird. Als Antriebe gibt es neben Viertaktbenzinern mit 50 oder 200 Kubikzentimeter sogar einen Einzylinder-Diesel.

Als Mobilitätsalternative für Pendler ist der in Kanada von der Firma Elektra Meccanica entwickelte Solo gedacht. Von vorne sieht das E-Mobil recht erwachsen aus, zum Heck hin wird das Fahrzeug allerdings sehr schmal und entpuppt sich als Dreirad. Das knapp drei Meter kurze Minimobil bietet im Innenraum einen Sitzplatz. Angetrieben wird der 450 Kilogramm leichte Einsitzer von einem 60 kW/82 PS und 190 Newtonmeter starken E-Motor, der eine Sprintzeit von unter acht Sekunden erlaubt, während die Höchstgeschwindigkeit auf 130 km/h begrenzt ist. Dank einer 16-kWh-Batterie soll der Solo laut Hersteller bis zu 160 Kilometer mit einer Ladung fahren können. Der Preis soll umgerechnet bei nur 13.000 Euro liegen.

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