Wiener Motorensymposium 2017 Benzin, Diesel, Strom: gemeinsame Zukunft

Autor / Redakteur: Wolfgang Pester / Thomas Günnel

Beim Wiener Motorensymposium 2017 stand die Vielfalt der Antriebe im Mittelpunkt. Volkswagen etwa sieht eine Zukunft für den Verbrennungsmotor – wobei die Variantenvielfalt der aufwendigen Optimierung zum Opfer fällt.

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Beim Wiener Motorensymposium 2017 stand die Vielfalt der Antriebe im Mittelpunkt. Dabei war klar: Verbrennungsmotoren haben noch viel Optimierungspotenzial.
Beim Wiener Motorensymposium 2017 stand die Vielfalt der Antriebe im Mittelpunkt. Dabei war klar: Verbrennungsmotoren haben noch viel Optimierungspotenzial.
(Bild: Bosch)

Die Entwicklung von Benzin- und Dieselmotor zeigt, dass beide Antriebe selbst die kommenden ambitionierten Abgaslimits erfüllen können. Deutlich wurde das beim 38. Internationalen Wiener Motorensymposium vom 27. bis 28. April 2017, wo mehr als 1.000 Entscheidungsträger der weltweiten Automobilbranche referierten und diskutierten. Beiträge zum reinen Elektroauto, sprich Battery Electric Vehicle (BEV), gab es mannigfache. Doch seine Marktdurchdringung vollzieht sich langsam, meinen die Experten. Sie rechnen damit, dass sich bis zum Jahr 2025 die Batteriereichweite auf rund 600 km erhöhen und die Batteriekosten drastisch sinken. Auch bei dieser Prognose fahren in 2025 drei von vier Neuwagen weltweit noch mit Benzin oder Diesel, erklärte VW-Konzernchef Matthias Müller.

Neben den 25 Prozent BEV werden dann noch rund 20 Prozent elektrifizierte Pkw-Neuzulassungen erwartet, bei denen als 48-Volt-mild-Hybrid, Voll-Hybrid- (HEV) und Plug-in-Hybrid-Fahrzeug (PHEV) der Verbrennungsmotor Teil des Antriebssystems ist. Die Perspektive für den VW-Konzern ist für Müller klar: Heute bieten die Marken insgesamt drei BEV und acht PHEV an, 2025 sollen es mehr als 30 reine Elektroautos sein. Derzeit ist der Absatz von elektrifizierten Fahrzeugen bei VW mit rund drei Prozent als homöopathisch zu werten, erklärte Friedrich Eichler, Leiter der Aggregateentwicklung bei Volkswagen.

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„Ein maximal effizienter Verbrenner“

Wenn Politiker meinen, die Klimaziele seien allein und schnell mit Elektroautos in den Griff zu bekommen, müssen sie auch den Entwicklungsprozess berücksichtigen. Und speziell beim Automobilantrieb leisten die unterschiedlichen Antriebskonzepte ihren Beitrag. Interessant dabei: Bei den weltweiten CO2-Emisionen, gemessen in CO2-Äquavilenten (Stand 2013), steht an erster Stelle die Energieerzeugung mit 43 Prozent. Danach kommt der Transportbereich mit 16 Prozent als zweitgrößter Emittent – bei dem wiederum zwölf Prozent auf den Personen- und Güterstraßenverkehr entfallen. Die von Dr. Rolf Bulander, Bosch-Geschäftsführer und Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions, herangezogenen Zahlen verdeutlichen, dass gerade im Straßenverkehr alle technologischen Potenziale ausgereizt werden müssen, um die globale Erwärmung auf +2° Celsius zu begrenzen. „Hierzu liefert nicht nur die Elektromobilität und langfristig gesehen die Brennstoffzelle, sondern insbesondere ein maximal effizienter Verbrennungsmotor einen entscheidenden Beitrag“, so Bulander. Mit modernsten Verbrennungsmotoren sei es möglich, die CO2-Emission entscheidend zu reduzieren und die Immissionsgrenzwerte auch in Großstädten und unter den Bedingungen des RDE-Prüfverfahrens einzuhalten.

In den Großstädten liegt der Fokus auf den Immissionen von Partikeln und NOx. Für den Verbrennungsmotor bedeute dies, die Effizienz zu maximieren und gleichzeitig aber auch die Emissionen als Ursache für die Immissionen zu minimieren, so Bulander. Beim Ottomotor sei ein zweigeteilter Lösungsansatz erforderlich, um den Partikelgrenzwert auch bei RDE-Fahrten zu erreichen. Innermotorische Maßnahmen müssen die Rohemission senken und der Partikelfilter das Abgas reinigen. Beim Dieselmotor, dessen Partikelfilter schon einen Reinigungsgrad von größer 99 Prozent hat, „liegt der Fokus klar darauf, dass die NOx-Grenzwerte bei RDE erreicht werden“, erklärte Bulander. Der Bosch-Geschäftsführer hob hervor, dass bei Testfahrten mit einem Versuchsträger auf einem Stadtkurs in Stuttgart Emissionswerte erreicht wurden, die den NOx-Grenzwert von 80 mg/km durchgehend unterschritten. Dabei war der Dieselmotor des Versuchsträgers mit geeigneten Kombinationen von Abgasnachbehandlungssystemen und einem intelligenten „Warm-up“-Management ausgestattet. Um lokale Immissionshotspots zu entschärfen, müsse diese Technik laut Bulander schnellstmöglich in die Flotte einziehen.

Bis zu 15 Prozent effizienter

Zwangsläufig bedingt dies kräftige Investitionen in die Antriebsentwicklung. Exemplarisch sei hier Volkswagen herangezogen. Der Konzern will laut Müller innerhalb der nächsten fünf Jahre rund zehn Milliarden Euro in die Entwicklung der Verbrennungsmotoren investieren. Dabei geht es laut Aggregateentwickler Eichler um Effizienzpotenziale von Abgasnachbehandlung, Aufladetechnik und Brennverfahren sowie die von Betriebsstrategie, Hubraum, Leichtbau, gleichfalls von Reibleistung und Thermomanagement. Ziel sei eine Effizienzsteigerung bei Otto- und Dieselmotoren bis 2020 von zehn Prozent bis 15 Prozent.

Um dem steigenden Produktaufwand finanziell zu begegnen, muss an anderen Stellen die Kostenstruktur überdacht werden. Bei VW entfallen im Kernmotorenprogramm Varianten; bei der Fahrzeugentwicklung kommen neue Methoden zum Einsatz, um den Aufwand zu reduzieren: Es wird mehr auf dem Prüfstand „gefahren“ und fortschrittliche Simulationsverfahren genutzt – also weniger als heute auf der Straße getestet. Alles jedoch, so Eichler, „ohne dass die Qualität leidet“. Die Marke VW will in zwei bis drei Jahren im Antriebsportfolio nur noch zwei Hubraumgrößen beim Ottomotor haben – statt fünf. Der 1,0-l-Dreizylinder wird als Saugmotor mit Multipoint-Einspritzung (MPI), als Turbodirekteinspritzer (TSI) sowie als bivalenter Erdgasantrieb (TGI) gebaut, mit einer Leistung von 44 kW/60 PS bis 85 kW/115 PS je nach Fahrzeugmodell. Den brandneuen 1,5-l-Vierzylinder wird ebenso als MPI, TSI und TGI mit höheren Leistungen angeboten werden. Wobei der „EA211 1,5 l TSI evo“ einen Turbolader mit verstellbarer Turbinengeometrie (VTG) besitzt und 96 kW/130 PS leistet - sein CO2-Austoß „kombiniert“ soll um 95 g/km liegen. Der 1.5-TSI-evo bringt mit herkömmlichem Abgasturbolader 110 kW/150 PS (rund 110 g CO2/km) und markiert mit maximal 130 kW/178 PS die Spitzenmotorisierung.

Bei den Dieselmotoren von VW wird es künftig ebenso nur noch zwei Hubräume statt vormals vier geben: 2,0 Liter für Reihenvierzylinder und 3,0 Liter für V6-Zylinder von Audi – die VW auf seine Belange anpasst. Was auf dem Chart des Kernmotorenprogramms im Symposiumsbeitrag von VW-Chef Müller fehlte, sind die Diesel mit 1,6 Liter Hubraum im Golf mit 85 kW/115 PS und im Passat mit 88 kW/120 PS. Noch werden sie zum Einsatz kommen, heißt es bei VW.

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Ein neuer Dieselmotor von VW

Der 2,0-l-TDI (EA288) mit 110 kW/150 PS bis 140 kW/190 PS muss Vertrauen zurückgewinnen. Die Dieselmotoren erfüllen laut VW die EU 6ag und sind unter anderem ausgerüstet mit einer modellbasierten, geregelten Verbrennung; einem Saugrohr mit integriertem Ladeluftkühler; Niederdruck und Hochdruck-Abgasrückführung (AGR) sowie mit einer motornahen Abgasreinigung mit SCR-Katalysator.

Mehr Leistung bietet der 2,0-l-TDI als Bi-Turbo mit 176 kW/239 PS, bei dem der Diesel mit 2.500 bar eingespritzt wird und das zweistufige Aufladekonzept mit VTG die passende Luftmasse in die Zylinder presst. Bei so viel Power kommt er nicht ohne Hochleistungszylinderkopf aus, geschweige ohne die Abgasreinigung wie beim schwächeren Bruder – beide sollen so die Abgasgrenzwerte unter RDE-Bedingungen erfüllen. Über den 3,0-l-V6-TDI, dessen Leistungsbreite von rund 200 kW/272 PS bis 300 kW/408 PS reichen soll, war in Wien nichts in Erfahrung zu bringen. Wohl ist ein neuer Dieselmotor von VW fertig entwickelt und soll im Herbst vorgestellt werden. Da er aus Wolfsburg kommt, müsste es ein 2,0-l-TDI sein. Vielleicht mit Elektrifizierung? Zu Hubraum, Technik und Leistung schwieg Eichler. Wohl charakterisierte er den von ihm gefahrenen neuen Motor: „Fühlt sich an wie ein Otto, ist aber ein Diesel.“

In zwei bis drei Jahren dürfte der 1,4-l-TDI für den Polo nicht mehr infrage kommen, so Eichler, weil er nicht zu einem attraktiven Preis angeboten werden könne. Die Technik der Abgasnachbehandlung treibt die Kosten in die Höhe. Dennoch sei der Dieselantrieb opportun, besonders für schwere Fahrzeuge wie Vans, SUVs sowie Utilities, etwa Transporter und Crafter. Mit seinem vergleichsweise sparsamen Kraftstoffverbrauch übernimmt der Diesel eine wichtig Rolle, um 2020 die obligatorische Flottenemission von 95 g CO2/km zu erfüllen. „Das Ziel muss erreicht werden, wenn nicht, droht für jedes Gramm CO2/km, welche das EU-CO2-Limit der Flotte übertrifft, eine Strafzahlung von 90 Euro“, beschreibt Eichler. Das kann sich dramatisch zuspitzen: 2016 verkauften die Marken des Volkswagen-Konzerns in Europa 4,2 Millionen Fahrzeuge und die Flottenemission dürfte noch bei etwa 120 g CO2/km liegen. Der Volkswagen-Konzern hat sich auf dem Wiener Motorensymposium erklärt. VW führt flächendeckend bei Dieselmotoren SCR-Katalysatoren zur NOx-Reduktion ein und die TSI-Motoren erhalten in allen Segmenten Otto-Partikelfilter. Ende des Jahres startet der erste Benziner, so Eichler, dann erhält einer nach dem anderen den Teilchenkiller.

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