Entwicklung Bertrandt : Neue Prüfzentren für Antriebstechnik

Autor / Redakteur: Tina Rumpelt / Thomas Günnel |

In die Wüste und zurück durch eine Tür: Der Engineering-Dienstleister Bertrandt nimmt zwei Prüfzentren in Betrieb, um hier Antriebskonzepte nach weltweiten Vorgaben zu prüfen und zu zertifizieren.

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Der Entwicklungsdienstleister Bertrandt nimmt zwei neue Prüftzentren für Fahrzeugantriebe in Betrieb.
Der Entwicklungsdienstleister Bertrandt nimmt zwei neue Prüftzentren für Fahrzeugantriebe in Betrieb.
(Bild: Bertrandt)

Gleißendes Licht brennt auf das Fahrzeug. Es ist heiß, die Luft staubtrocken, so erbarmungslos trocken wie im Death Valley in der kalifornischen Mojave-Wüste, einem der menschenunfreundlichsten Orte auf der Erde. Der Fahrer ist hochkonzentriert. Die Tachonadel, die er nicht aus den Augen lässt, hat die 200 km/h-Marke erreicht. Er hat noch viele Kilometer Testfahrt vor sich. Das Auto muss beweisen, dass es die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte einhält, auch unter extremen Bedingungen. Draußen regnet es.

Wir sind in Deutschland, genauer gesagt in Tappenbeck, einer Gemeinde im Landkreis Gifhorn in Niedersachsen. Der Entwicklungsdienstleister Bertrandt betreibt dort sein „Powertrain Solution Center“. Das Prüfzentrum für Antriebstechnik ist seit Oktober in Betrieb. Und das Auto, das scheinbar durch die Wüste rast, steht fest verzurrt in einem der nach Betreiberangaben weltweit innovativsten und leistungsfähigsten Abgasprüfstände für Straßenfahrzeuge.

Wüstentouren auf der Rolle

24 Hochleistungsscheinwerfer – dicht aneinander an der Decke der Prüfkammer montiert – mit einer Gesamtleistung von bis zu 1.200 Watt pro Quadratmeter simulieren die Sonneneinstrahlung. Die Prüfstandsrollen können bis auf 300 km/h beschleunigen. „Die Prüfzelle ist als Hochleistungssystem mit 550 kW Nennleistung ausgelegt. Sie ermöglicht die Simulation besonderer Fahrsituationen, zum Beispiel Bergfahrten oder Heißland-Tests“, erklärt Andreas Singer. Er ist Technischer Niederlassungsleiter der Prüfzentren. Seit gut einem Jahr begleitet er den Aufbau.

Technisches Highlight ist die Höhensimulation in dieser Prüfzelle: Es können Luftdruckverhältnisse erzeugt werden, wie sie in Regionen auf bis zu 4.200 Meter über dem Meeresspiegel herrschen. Der enorme Unterdruck, der dabei entsteht, erforderte eine aufwendige bauliche Absicherung der Prüfkammer mit extradicken Wänden, massiven Stahltüren und -toren. Stahlplatten und dicke Stahlschrauben sichern zusätzlich Türklinken und Abluftgitter.

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Umfangreiche Prüfmöglichkeiten

Ausgestattet ist der Standort daneben mit je drei weiteren Allrad-Klima-Rollenprüfständen mit einer Systemleistung von je 360 kW. Sie arbeiten im Temperaturbereich von minus 7 bis plus 40 Grad Celsius und können Fahrzeuge bis zu einem Gewicht von 2,5 Tonnen und einer Höhe von 3,30 Meter aufnehmen. In einer separaten „SHED“-Prüfkammer werden Verdunstungsemissionen ermittelt, zum Beispiel der Kohlenwasserstoffaustritt über den Aktivkohlefilter in Kraftstofftanks. „SHED“ steht für „Sealed Housing for Evaporative Determination“.

Auf den zugehörigen sogenannten „Konditionierungsflächen“ ist Platz für bis zu 80 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. Hier werden die Fahrzeuge für die Messungen vorkonditioniert. Das heißt in diesem Fall: „auf Temperatur“ gebracht – je nach Vorgabe von minus 25 Grad bis auf plus 40 Grad Celsius. In einer speziellen Trockenzone kann die Luftfeuchtigkeit gegen Null heruntergefahren werden. Das Trocknen der Fahrzeuge sorgt dafür, dass die Karosserien bei der Konditionierung bei Minusgraden eisfrei bleiben.

Weiteres Prüfzentrum im Bau

Derzeit errichtet der Entwicklungsdienstleister in Freising bei München ein weiteres Prüfzentrum, baugleich mit dem im Norden von Deutschland. Es soll im ersten Quartal 2021 in Betrieb gehen. Insgesamt 80 Millionen Euro investiert das Unternehmen an den beiden Standorten; es sei die größte zusammenhängende Investition, die Bertrandt seit der Firmengründung 1974 getätigt habe. In den Prüfzentren lassen sich dann zum Beispiel Prüfvorgaben der EU-Kommission umsetzen, die der US-Umweltbehörde „Environmental Protection Agency“ (EPA), des „California Air Resources Board" (CARP) und entsprechender Institutionen nahezu aller Länder weltweit.

In beiden Prüfzentren geht es vorrangig um die Absicherung, Typprüfungen, Zertifizierung, Homologation und den sogenannten Real-Driving-Emissions-Tests sowie COP-Tests („conformity of production“) – für Verbrennungsmotoren mit allen Arten von Kraftstoff: Benzin, Diesel, Gase, Wasserstoff und Spezialkraftstoffe. Aber auch alternative und neue Konzepte, wie Hybrid- und Elektro- Antriebe, lassen sich nach gesetzlichen Vorgaben und Normen prüfen und absichern.

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