Fahrbericht Neue E-Klasse: Das letzte Taxi

Von Peter Eck/SP-X Lesedauer: 4 min

Eine neue E-Klasse sollte getreu dem Mercedes-Firmenmotto das beste Modell seiner Klasse sein. Erfüllt die neue Generation die hohen Ansprüche seiner potenziellen Kunden?

Mercedes hat die E-Klasse noch einmal neu aufgelegt.
Mercedes hat die E-Klasse noch einmal neu aufgelegt.
(Bild: Mercedes-Benz)

Die schlechten Nachrichten vorweg: Die neue E-Klasse dürfte die letzte ihrer Art sein und nach ihrem Auslauf irgendwann in sieben oder acht Jahren durch den jetzt schon erhältlichen EQE ersetzt werden. Und: Wer mal in der Businesslimousine sitzen will, muss sich schon eine kaufen – ab circa 54.000 Euro – oder einen guten Freund haben, der eine besitzt. Denn eine kurzzeitige Teilhabe an dieser Art Luxus – als Taxi – wird es nicht mehr geben. Die E-Klasse als Volks-Transporter, sie hat mit der sechsten Generation ausgedient.

Ansonsten, vom Standpunkt eines Auto-Enthusiasten oder Ingenieurs, ist die neue E-Klasse mal wieder eine Meisterleistung. Sie mutet als eine kleine S-Klasse an, auf Wunsch ist sie vollgestopft mit allem, was bei Mercedes derzeit möglich ist. Und das ist so viel, dass wir es in diesem Rahmen nicht annähernd aufzählen können. Zum Beispiel gibt es einen digitalen Fahrzeugschlüssel, sodass sich die E-Klasse allein mit einem Handy oder einer Uhr starten lassen – sofern sie von Apple ist.

Bei der neuen, aufpreispflichtigen Klimatisierungsautomatik namens Thermotronic verstellen sich die Lüftungsdüsen selbstständig mittels zweier kleiner elektrischer Antriebe. Mercedes nennt das neudeutsch „Digital Vent Control“.

Programm gegen Reisekrankheit

Es gibt aber auch Skurriles wie ein Anti-Reisekrankheits-Programm, das beim Beifahrer entsprechende Symptome mildern oder gar verhindern soll. Leider fühlten wir uns an Bord der E-Klasse so wohl, dass wir zur Wirksamkeit an dieser Stelle nichts sagen können. Ja, der Wohlfühlfaktor ist wirklich hoch. Vor allem, wenn man das aufpreispflichtige Technik-Paket bestellt hat, das ein Luftfederfahrwerk (Airmatic) und die Hinterachslenkung umfasst.

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Während die Airmatic die Insassen über sämtliche Unbill der Straßen hinwegschweben lässt, sorgt die Hinterachslenkung für eine frappierende Agilität. Vor allem in engen Kurven wird die immerhin fast fünf Meter lange Limousine gefühlt zum Kompaktwagen.

Schon bisher zählte die Sprachsteuerung MBUX zu den besten ihrer Art. Neu ist nun die Möglichkeit, sogenannte Routinen zu erstellen. Darunter versteht Mercedes, Bedingungen und Funktionen miteinander zu verbinden. Wie etwa mit dem Befehl: „Wenn die Temperatur im Innenraum unter 16 Grad liegt, schalte die Sitzheizung ein und stelle die Ambientebeleuchtung auf warmes Orange“.

Wer allein im Auto sitzt und nicht zu Selbstgesprächen neigt, kann MBUX jetzt zudem auf „Just Talk“ einstellen. Dann reagiert das System auf jedes gesprochene Wort, man muss es also nicht mit dem Befehl „Hey Mercedes“ aktivieren. Wenn man vergisst, diese Einstellung gewählt zu haben, kann das allerdings auch schnell nervig werden.

Mildhybrid-Verbrenner oder Plug-in-Hybride stehen zur Auswahl

Optisch wirkt die neue E-Klasse irgendwie vertraut. Und das ist durchaus gewollt, denn sie soll als Mercedes-Limousine sofort erkennbar sein. Durch den langen Radstand (+ 2,2 Zentimeter auf 2,96 Meter) und die lang gestreckte Motorhaube mit der recht weit nach hinten gezogenen Fahrerkabine wirkt der immerhin 4,95 Meter lange Viertürer sehr dynamisch. Das klassische Drei-Box-Design ist eben immer noch der Maßstab für ein wohlproportioniertes Auto und lässt die meisten SUVs im Vergleich klobig aussehen.

Bei den Motoren nutzt Mercedes ausschließlich Mildhybrid-Verbrenner oder Plug-in-Hybride, entweder mit reinem Hinterradantrieb, gegen Aufpreis zubuchbarem Vierradantrieb oder serienmäßig Allrad – und in jedem Fall mit Turbounterstützung und der bekannten Neun-Gang-Automatik an Bord. Wir fanden schon die preisliche Basisversion, den E 200 mit 150 kW/204 PS, sehr überzeugend. Dank der peniblen Dämmung ist der Zweiliter-Vierzylinder im Innenraum kaum präsent und dringt höchstens mal beim nachdrücklichen Beschleunigen durch.

Für Langstreckenfahrer und Sparfüchse bleibt der E 220d (145 kW/197 PS) erste Wahl. Der leicht rau laufende Selbstzünder wird wie alle Mildhybrid-Varianten von einem Elektromotor mit 17 kW/23 PS unterstützt, der zusätzlich zu den 440 Newtonmetern des Verbrenners weitere 205 Nm bereitstellt. Das unterstützt beim Anfahren und Beschleunigen und senkt den Verbrauch, der mit 4,8 bis 5,5 Liter angegeben wird. Der E 220d ist auch mit Allradantrieb erhältlich. So oder so zeigt der Diesel, dass er für Vielfahrer immer noch die erste Option ist.

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Kein Sportler trotz der Fahrwerte auf dem Papier

Neben den zwei Mildhybrid-Verbrennern stellte Mercedes zu den Testfahrten auch zwei Plug-in-Hybride in drei Varianten zur Verfügung. Den E 300e mit Hinterrad- oder Allradantrieb und den E 400e, der mit einer Systemleistung von 280 kW/382 PS derzeit die Spitze der neuen E-Klasse markiert.

Die PHEVs beeindrucken im Wettbewerbsvergleich vor allem durch ihre große elektrische Reichweite, die von Mercedes bei allen Modellen mit 95 bis 109 Kilometern angegeben wird. In der Praxis bedeutet das eine reale Elektroreichweite von 70 bis 80 Kilometer und damit mehr als genug für den täglichen Einsatz außerhalb der Langstrecke.

Wer zuhause oder bei der Arbeit „nachtanken“ kann, hat hier – anders als bei vielen Plug-ins mit realen Reichweiten von 30 oder 40 Kilometern – die Möglichkeit, wochen- oder gar monatelang ohne Verbrenner zu fahren, kann aber die Urlaubsfahrt jederzeit ohne Reichweitenangst antreten.

Auf der Minusseite jedes PHEV stehen der durch das Gewicht der zwei Antriebe erhöhte Kraftstoffverbrauch, der Ressourcenverbrauch und die höheren Preise. Zudem sollte man wissen, dass selbst der E 400e trotz seiner auf dem Papier tollen Fahrwerte – 250 km/h Spitze, 5,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h – kein Sportler ist. Wer es wirklich drauf anlegt, wird bemerken, dass das Wechselspiel der beiden Systeme unter sportlicher Volllast nicht immer harmonisch funktioniert.

E-Klasse holt sich den Titel der Business-Limousine

Der hohe Fahrkomfort, die hervorragenden Platzverhältnisse gerade auf den äußeren Rücksitzen, das Sicherheitsniveau und die Ausstattungsmöglichkeiten machen die neue E-Klasse einmal mehr zur Business-Limousine schlechthin. Wer noch mehr will, greift zur S-Klasse – dann passend mit Chauffeur. Und wer mehr Platz braucht, der wartet auf den Herbst – dann kommt der Kombi der neuen E-Klasse.

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