CO2-Diskussion Leichtbau, die Zweite
Er gilt als Geheimtipp der Tuningszene, weil sich mit wenig Aufwand die Fahrleistung drastisch steigern lässt – der VW Lupo 3L. Auf der Autobahn musste ihm schon manch ein Sportwagenfahrer
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Er gilt als Geheimtipp der Tuningszene, weil sich mit wenig Aufwand die Fahrleistung drastisch steigern lässt – der VW Lupo 3L. Auf der Autobahn musste ihm schon manch ein Sportwagenfahrer Platz machen. Gleichzeitig glänzte er bereits zur Markteinführung im Jahr 1999 mit einem niedrigen CO2-Ausstoß: Nur 81 Gramm pro Kilometer im Vergleich zu dem jüngst in Genf als CO2-Champion gekürten Smart fortwo CDI (88 g/km).
Genutzt hat es dem zunächst als Ökomobil gefeierten Kleinwagen indes nichts. Nach nur sechs Jahren Produktionszeit lief im Frühsommer 2005 der letzte Dreiliter-Lupo vom Band. Lediglich 30 000 Fahrzeuge konnte Volkswagen insgesamt absetzen. Zu wenig für einen Konzern, der zu dieser Zeit gerade seinen Einstieg ins Luxussegment forcierte und parallel dazu eine ordentliche Kapitalrendite erwirtschaften sollte.
Zu wenig aber auch für einen Technologieträger, der mit Start-Stopp-Automatik, automatisiertem Schaltgetriebe, Aluminium-Magnesium-Heckklappe und Scheiben aus dünnerem Glas schon so manche Lösung vorwegnahm, die selbst heute noch zur Avantgarde zählt.
Die niedrigen Emissionswerte des Lupo 3L wurden zu 60 Prozent durch eine Motor-Getriebe-Optimierung, zu 8 Prozent durch Aerodynamik und zu 32 Prozent durch Leichtbau erreicht. Dass der damalige Leichtbau mit dem heutigen allerdings nicht mehr viel gemein hat, zeigt exemplarisch die Aluminium-Magnesium-Heckklappe.
In der teuren Verbundtechnik ausgeführt, bereitete sie kombiniert mit den speziellen Energiesparreifen Probleme beim Fahrverhalten. Das Fahrzeug neigte im Ein-Mann-Betrieb zum Übersteuern, weshalb VW als Interimslösung Bleigewichte in die hintere Stoßstange baute. Erst später fand sich die Möglichkeit, durch den Einbau der Batterie in den Kofferraum die Hinterräder ausreichend zu belasten.
Unter dem Schlagwort „funktionsorientierter Leichtbau“ setzen die Autobauer Materialien wie Aluminium, CFK oder Magnesium heute intelligenter ein. Stahlblech dort, wo Gewicht gebraucht wird – etwa an der Hinterachse – und Aluminium im Vorderwagen, wo man aufgrund von Komfortausstattungen wie elektrischer Lenkung oder Kurvenlicht und gesetzlicher Vorgaben (Fußgängerschutz) das Gewicht senken muss. „Unter diesen Voraussetzungen muss Leichtbau nicht zwangsläufig teurer sein“, räumt Audi-Leichtbaupionier Heinrich Timm im Gespräch mit »Automobil Industrie« (ab Seite 34) mit einem Vorurteil auf. Die richtige Bauweise hänge stets vom Produkt und vom Volumen ab.
Leichtbau rechnet sich für die deutschen OEM derzeit eher an anderer Stelle. Er erlaubt, bei Komfort, Steifigkeit und Sicherheit immer noch eine Schippe draufzulegen, ohne beim Gewicht und damit auch den Leistungsdaten gegenüber der Konkurrenz aus Fernost Federn zu lassen.
Die Kehrseite der Medaille: Obwohl die deutschen Hersteller in Sachen Leichtbau weltweit an der Spitze stehen, ernten sie in der Öffentlichkeit wenig Anerkennung. Denn die Komfort- und Sicherheitselemente „fressen“ den Gewichtsvorteil wieder auf.
Aber „die umfangreichen Ausstattungen darf man den deutschen OEM nicht vorwerfen“, konstatiert Ralf Anderseck, Director Product Development bei Visteon. „Sie bauen lediglich die Fahrzeuge, die der Kunde haben möchte.“ Erst wenn der Kunde bereit sei, ein Normalmaß an Sicherheit und Ausstattung zu akzeptieren, könnte sich an dieser Stelle etwas ändern. „Der Kunde muss die OEM zu leichteren, ökologischeren Fahrzeugen treiben. Andersherum hat dieser Ansatz noch nie funktioniert“, ergänzt Anderseck.
Weil der Kraftstoffverbrauch eines Autos aber nun einmal ganz wesentlich von dessen Masse abhängt, lohnt es sich nach wie vor, in den Leichtbau zu investieren. Pro 100 kg Gewicht lassen sich je nach Fahrzyklus und Fahrzeuggröße etwa 0,3 bis 0,5 Liter Sprit pro 100 Kilometer einsparen. Das entspricht 7,5 g/km bis 12,5 g/km weniger CO2-Emmissionen.
Das Potenzial erkannt haben die deutschen Autobauer längst. Schwerwiegende Fehler im Marketing haben jedoch einen nachhaltigen Imageerfolg verhindert – siehe Audi A2 1,2 TDI und Lupo 3L. Ganz im Gegensatz zu Toyota, die den Hybridantrieb im Prius marketingtechnisch genial umgesetzt haben. Dass die Gesamtwirkung des Wagens in Sachen CO2-Ausstoß aufgrund der niedrigen Stückzahlen gegen Null geht, oder dass auch der Leichtbau nicht unwesentlich zum niedrigen Verbrauch beiträgt, interessiert niemanden, schon gar nicht Frau Künast.
Was aber tun, um den Leichtbau besser zu vermarkten? „Uns ist ein Auto mit 1 000 Kilogramm Gewicht lieber als eines mit 1 000 Newtonmeter Drehmoment“, sagte vor Jahren der ehemalige BMW-Entwicklungschef Burkhard Göschel. Indirekt brach er damit eine Lanze für das Leistungsgewicht eines Fahrzeugs.
Die Kennzahl errechnet sich aus dem Leergewicht bezogen auf die Leistung in PS (siehe obige Tabelle). Das Leistungsgewicht gibt an, welche Masse der Motor beschleunigen muss. Weniger Gewicht ermöglicht also auch mit weniger Energie (PS) sportlich und dynamisch unterwegs zu sein. Wasser auf die Mühlen all jener, die sich gerne als fortschrittliche, weil umweltschonende und trotzdem dynamische Fahrer sehen. „Vielleicht gelingt es uns, mithilfe der Medien das Leistungsgewicht plakativ zu transportieren“, hofft Heinrich Timm mit der Kennzahl künftig nicht nur Motorsport- und Tuningfreaks, sondern auch Trendsetter zu erreichen.
Bis es soweit ist, könnte auch die anhaltende CO2-Diskussion den deutschen OEM helfen, ihre Führungsposition im Leichtbau doch noch image- und gewinnbringend in Szene zu setzen. Vielleicht ist die Zeit jetzt reif für Fahrzeuge wie den A2 oder Lupo 3L. VW-Oberaufseher Ferdinand Piëch jedenfalls hat kürzlich im Zuge seines 70. Geburtstags verlauten lassen, man könne in drei bis vier Jahren das 1-Liter-, 2-Liter- und 3-Liter-Auto zu realistischen Preisen entwickeln. Entscheidend dafür seien sinkende Kosten für leichte Karosserie-Bauteile.
Weil es aber schwierig ist, Kosten und Gewicht gleichzeitig zu reduzieren, werden größere Mengen an Magnesium und CFK noch längere Zeit den Nischenfahrzeugen vorbehalten bleiben. Einen nennenswerten Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes können diese Exoten jedoch nicht leisten.
„Leichtbau bringt nur was, wenn die Technik großseriengeeignet ist“, bekräftigt VW-Forscher Dr. Martin Goede. Er ist Koordinator des EU-Projekts „Super-Light-Car“. Seine Aufgabe ist es, die Rohkarosserie eines A-Segment-Fahrzeugs um etwa 30 Prozent leichter zu machen. „Wohlgemerkt – bei gleicher Performance und Funktion sowie zu minimalen Mehrkosten in der Produktion“, betont Goede.
Ziel sei es, die Mehrkosten pro Kilogramm weniger Gewicht unter fünf Euro zu halten. Nach der halben Strecke sieht Goede das Projekt auf einem guten Weg. „Wir werden die 30 Prozent schaffen und gleichzeitig beweisen, dass Leichtbau nicht zwingend teurer sein muss.“ Für den Lupo 3L kommt dieser Ansatz zu spät.
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