Leichtbau-Gipfel 2018 Superplastisches Umformen für den Bentley Continental GT

Autor / Redakteur: Hartmut Hammer / Sven Prawitz

Eine mögliche Umformungsrate von 300 Prozent bei Blech: Volkswagen und Bentley stellten auf dem Leichtbau-Gipfel das Superplastic-Forming-Verfahren (SPF) vor.

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Der neue Bentley Continental GT fällt vor allem durch seine Formensprache auf.
Der neue Bentley Continental GT fällt vor allem durch seine Formensprache auf.
(Bild: Stefan Bausewein)

Der neue Bentley Continental GT basiert auf einer design-orientierten Leichtbaustruktur. Durch die besondere Ausformung des großflächigen Aluminium-Seitenteils und anderer Hang-On-Parts erinnert die dritte Modellgeneration des Bentley Continental GT in ihrer Formensprache an den klassischen Flugzeugbau. Auf dem Leichtbau-Gipfel der Fachzeitschrift »Automobil Industrie« am 13. März 2018 in Würzburg erläuterten Markus Israel (Volkswagen AG) und Darren Purvin (Bentley Motors AG), wie das großflächige Aluminium-Seitenteil geformt und an die Rohbaustruktur in Mischbauweise gefügt wird.

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SPF-Verfahren

Um die skulpturale Form des Seitenteils herzustellen, wird das Superplastic-Forming-Verfahren (SPF) angewandt. Maßgeblich für das SPF ist eine temperierte Umformung ganz bestimmter Legierungen, welche dadurch beachtliche Umformgrade ermöglichen. So weist die für das Bentley-Seitenteil eingesetzte Aluminiumlegierung nach dem SPF-Prozess ein Umformvermögen von etwa 26 Prozent auf. Prinzipiell sind bei der temperierten, langsamen SPF-Umformung Dehnungen von bis zu 300 Prozent möglich.

Als großen Vorteil des SPF bezeichnet Volkswagen die sehr freie Gestaltung der Bauteilkontur. Diese hohe Flexibilität wurde beim Bentley Continental GT dazu genutzt, die sehr markanten Tornadolinien darzustellen. Dazu wurden die Prozessparameter entsprechend den Form- und Blechdickenanforderungen eingestellt. Ziel war unter anderem, die beim SPF-Verfahren prinzipiell möglichen, zu starken Blechausdünnungen zu vermeiden, die sowohl für die Crashperformance als auch für die Verbindungstechnik nachteilig sind. Beim Seitenteil des Bentley Continental GT konnte man dadurch sicherstellen, dass das ursprüngliche 1,4 Millimeter dicke Blech nach dem Umformen einen Wert von mindestens 1,1 Millimeter nicht unterschreitet. Mit dieser Blechstärke erfüllt das Seitenteil noch alle Anforderungen bezüglich Crashperformance und Verbindungstechnik.

Verbindungstechniken in der Produktion

Sehr hohe Anforderungen stellte anschließend die Verbindung des Aluminium-Seitenteils mit der Rohbaustruktur. Alu-Alu-Verbindungen sind per Laserschweißen, Clinchen und mit selbstfurchenden Schrauben möglich. Der Mischbau von Aluminium mit Stahl kann per Clinchen und mit selbstfurchenden Schrauben erfolgen.

Herausforderungen waren bei dem Falzen der Aluminium-Außenteiles auf der Stahlkarosserie zu lösen. Hier kann beim anschließenden Aushärten der Falz-Klebe-Verbindung im Wärmeofen und nachfolgenden Abkühlen ein globaler thermischer Verzug im Seitenteil auftreten. Durch das unterschiedliche Ausdehnungsverhalten der Werkstoffe Stahl und Aluminium verschiebt sich das Aluminium-Bauteil leicht in seiner Lage zur Stahl-Tragstruktur.

Abhilfe schafft Volkswagen vor dem Aushärten durch lokales Eindrücken des Aluminium-Bauteils in den Stahlflansch an vordefinierten Stellen. Dadurch werden das Seitenteil im Verhältnis zur Stahl-Tragstruktur fixiert und die durch den Wärmeprozess induzierten Deformationen minimiert. Auf diese Weise konnten am Bentley Continental GT ein sehr maßhaltiges Seitenteil mit maximalen Abweichungen von 0,5 Millimeter zum CAD-Datenstand erreicht werden.

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Eine wichtige Aufgabe für die Fertigungstechniker ist die Vereinheitlichung des Falzprozesses und der übrigen Fügeprozesse, da auf der gemeinsamen Rohbau-Fertigungslinie in Leipzig jeweils drei Karosserievarianten von Bentley Continental GT und Porsche Panamera entstehen. Auch bei den weiteren geplanten Derivaten des Bentley Continental wird das SPF zum Einsatz kommen.

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