Fahrbericht Ford Focus ST Turnier: RS-Power mit Rallye-Technik

Autor Jens Scheiner |

Wer denkt, dass Performance Fahrzeuge kleine Rennkisten sind, hat die Rechnung ohne den Ford Focus ST Turnier gemacht. Der Kombi punktet nicht nur mit 280 PS Leistung, sondern mit viel Platz im Innenraum sowie cleveren Systemen, die den Fahrspaß extrem erhöhen.

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Der Ford Focus ST Turnier vereint Fahrspaß mit Komfort und einem gewissen Maß an Familien- und Alltagstauglichkeit.
Der Ford Focus ST Turnier vereint Fahrspaß mit Komfort und einem gewissen Maß an Familien- und Alltagstauglichkeit.
(Bild: ens Scheiner/Automobil Industrie)

Die Kürzel RS (Racing Sport) und ST (Sports Technology) stehen bei Ford für Leistung und Fahrspaß. Familientauglichkeit und Komfort sind Begriffe die man mit einem Performance-Fahrzeug nicht wirklich in Verbindung bringt. Dass Kompaktsportler aber auch familien- und alltagstauglich sein können, haben bereits Seat mit dem Leon ST Cupra, Skoda mit dem Octavia RS, VW mit dem Golf R Variant oder Hyundai mit dem i30N Fastback bewiesen. In diese überschaubare Riege der kompakten Sportkombis reiht sich jetzt auch die vierte Generation des Ford Focus ST Turnier ein.

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Stärkstes Aggregat in einem Ford Focus ST

Wie sein zivilisierter Bruder baut auch der Sportler auf der C-2-Architektur der Focus-Baureihe auf. Dabei trägt er in großen Teilen die Außenhaut der Ausstattungslinie ST, die sich aber beim genaueren Betrachten deutlich differenziert: Am deutlichsten sichtbar wird das bei unserem Testwagen an der „Tropical Orange“-Lackierung sowie den speziell gestalteten 19-Zoll-Alufelgen, die den ST-Modellen vorbehalten sind. Auch das ST-Logo am modifizierten Kühlergrill, der überdimensionierte Dachspoiler oder die doppelten Auspuff-Endrohre geben Hinweise auf das sportliche Potenzial des Focus ST.

Und das ist enorm: Denn unter der Haube brodelt der 2,3-Liter-Ecoboost-Benziner, der noch bis vor einem Jahr im Ford Focus RS ganze 257 kW/350 PS geliefert hat. Für den ST haben die Ingenieure die Leistung zwar etwas gedrosselt, dennoch leistet das Aggregat mit 206 kW/280 PS nicht nur 30 PS mehr als beim Vorgänger, sondern ist das bislang Stärkste, das jemals einen Ford Focus ST befeuerte. Gleiches gilt auch für das maximale Drehmoment, dass die Techniker von 350 auf 420 Newtonmetern hochschraubten. Damit zu jeder Zeit der volle Ladedruck zur Verfügung steht, hat Ford nicht nur einen neuen Twin-Scroll-Turbolader, sondern mit der „Anti-Lag“-Funktion auch ein System aus dem Fiesta WRC-Rallye-Weltmeisterauto eingebaut.

Ultimativer Fahrspaß im Race-Track-Modus

Das macht sich beim Tritt aufs Gaspedal sofort bemerkbar: Der Fronttriebler zerrt ordentlich am Lenkrad ohne dabei die Traktion zu verlieren. Das liegt mitunter an der für den Benziner serienmäßigen elektronischen Differenzialsperre, die bis zu 100 Prozent der Antriebsleistung an das Vorderrad mit der jeweils besseren Traktion schickt. Ein Soundaktuator sorgt dabei für die akustische Untermalung. Die Intensität des kernigen Grollens wird dabei von der Wahl der Fahr-Modi bestimmt: Im „Racetrack“-Modus erreicht der Krach aus den Endrohren sein Maximum und das Gaspedal reagiert noch einen Tick sensibler auf Befehle.

Um den Spaßfaktor zu erhöhen haben die Ingenieure dem ST eine automatische Zwischengasfunktion spendiert. Zudem setzt das elektronisch geregelte Sperrdifferenzial Lenkimpulse noch schneller und direkter um. Gleichzeitig wird die Lenkung merklich straffer und benötigt mehr Feedback vom Fahrer. Daneben wird das Fahrwerk spürbar härter und Unebenheiten im Asphalt werden direkt an die Bandscheibe weitergegeben. Außerdem deaktiviert sich im Rennmodus das ESP, sodass sich in engen Kurven gerne mal das innere Hinterrad anhebt oder je nach Streckenbeschaffenheit das Heck nervös zuck. Gut, das die Bremsen einen hervorragenden Job machen und kraftvoll zupacken.

Dank eines beeindruckenden Spagats der unterschiedlichen Fahrmodi kann der Sportler auch sanft, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Zwar ist selbst im „Normal“-Modus das Fahrwerk noch straff ausgelegt, dennoch werden Kopfsteinpflaster erträglich weggefedert. Unterstützend kommen hier die Recaro-Sportsitze zugute, die nicht nur in schnellen Passagen fest im Sattel halten, sondern auch bei Straßenunebenheiten angenehm weich sind. Die Fondpassagiere sitzen zwar nicht ganz so kommod, dennoch ausreichend bequem – selbst auf längeren Strecken. Daneben ist im Fond ausreichend Platz in alle Richtungen und auch der Kofferraum ist mit 575 bis 1.653 Liter absolut Alltagstauglich. Genau wie das serienmäßige manuelle Sechs-Gang-Getriebe, das im Vergleich zu seinen zivilen Brüdern nicht nur kürzere Schaltwege hat, auch die Gänge lassen sich geschmeidig einlegen. Komfortabler ist nur die optionale Sieben-Gang-Automatik mit Schaltwippen.

Assistenten mit kleinen Schwächen

Nicht nur komfortabel, sondern sehr hilfreich sind hingegen die zahlreichen (optionalen) Assistenten. Besonders hervorzuheben ist das kamerabasierte Kurvenlicht und das blendfreie Fernlicht der LED-Scheinwerfer. Das System hat einwandfrei funktioniert und die dunklen Straßen taghell ausgeleuchtet. So hell, dass weit entfernte Fahrzeuge auf der entgegenkommenden Spur teilweise mit Lichthupe ihren Unmut kund taten. Daneben hat der Park-Assistent einen guten Job gemacht: Beim Ein- und Ausparken hat er das Fahrzeug sicher in die Lücke manövriert. Allerdings muss man Gas, Bremse und den Ganghebel bedienen. Insgesamt hat auch der Spurhalte-Assistent einen guten Job gemacht. Trotz der höchsten Vibrationsstufe hätte das Lenkrad beim Verlassen der Spur durchaus etwas kräftigere Impulse geben können.

Überraschend gut hat das Verkehrsschild-Erkennungssystem funktioniert. Selbst in Baustellen, wo meist eine Flut von Schildern die Kameras verwirren, hat der Assistent uns mit den korrekten Geschwindigkeitsbegrenzungen entweder im 4,2 Zoll großen TFT-Bordcomputer im Instrumententräger oder im Head-up-Display versorgt. Wobei die Auflösung auf der kleinen Plastikscheibe nicht wirklich gut ist. Besser ist die Darstellung des Navi auf dem Acht-Zoll-Touchscreen des serienmäßigen Infotainment-System „Sync 3“. Die Steuerung des Systems ist nicht wirklich intuitiv, das Menü teilweise unnötig verschachtelt. Auch die Spracheingabe hat so Ihre Schwächen, erkennt gesprochene Adressen aber meist zuverlässig.

Günstiger Einstiegspreis

Viel wichtiger als der ganze Smartphone-Technik-Kram ist in einem Performance-Fahrzeug schlicht die Performance, und hier hat der Ford Focus ST richtig gut performt. Zudem punktet er mit reichlich Stauraum und einer guten Balance zwischen Komfort und Sportlichkeit. Hinzu kommt der günstige Einstiegspreis von 31.900 Euro. Mit dem einen oder anderen Extra hat man allerdings schnell die 40.000-Euro-Marke überschritten. Das ist aber in Ordnung, denn die Konkurrenten können hier sowieso nicht mithalten.

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