IAA 2019 Übersicht: Das sind die IAA-Neuheiten der Zulieferer

Mit teils großem Getöse haben die Hersteller den Vorhang von ihren neuen Autos und Studien gezogen. Etwas unauffälliger, jedoch nicht minder spannend, sind die Neuheiten der Automobilzulieferer. Ein Messerundgang.

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Der Automobilzulieferer Aisin zeigt in einem Fahrzeugdemonstrator seine Produktpalette.
Der Automobilzulieferer Aisin zeigt in einem Fahrzeugdemonstrator seine Produktpalette.
(Bild: Thomas Günnel/»Automobil Industrie«)

Die IAA begann mit einem großen Knall. Wortwörtlich, denn gleich am ersten Tag krachten an einem Info-Pavillon von BMW Deckenteile zu Boden. Verletzt wurde zum Glück niemand.

Andere Showeffekte waren geplant: Unter dramatischen Klängen und viel Licht fuhren zahlreiche neue Autos auf Bühnen, Vorhänge wurden gehoben, Videos gezeigt. Die Präsentationen der Automobilzulieferer sind da deutlich dezenter. Doch die Neuheiten sind nicht minder erwähnenswert: Eine Übersicht.

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Brose: Komplettsitz für Komplett-Entspannung

Brose setzt auf Systeme. Eines davon, das wir bereits in einer Preview vorgestellt haben, ist eine Kompletttür, in die sich laut des Coburger Automobilzulieferers alle Komponenten vom Schließsystem bis zum Seitentürantrieb integrieren. Und dann gibt es da noch das erste Ergebnis aus dem Joint Venture mit dem Textilexperten Aunde: Ein Komplettsitz, dank Leichtbau etwa 40 Kilogramm schwer und mit integrierten Leuchtfasern. Der Sitz stellt sich individuell auf den Passagier ein, bei längeren Fahrten soll die Liegeposition in der sogenannten Nullherzlage inklusive Beinauflage und verstellbarer Armlehne für Komfort und Entspannung sorgen. Und dann kann der Sitz sogar massieren. Laut einem Sprecher des Unternehmens soll er bereits in einem Jahr serienreif sein.

Conti-Chef Degenhart geht in die Offensive

Kurz vor der IAA hatte Continental-Chef Elmar Degenhart bereits drastische Sparmaßnahmen angekündigt. Auf der IAA ging Degenhart weiter in die Offensive: „Die Automobilindustrie ist seit über einem Jahr in einer Rezession“, sagte der Vorstandsvorsitzende des zweitgrößten Zulieferers der Welt. Degenhart kritisierte die hohen Unternehmenssteuern und Sozialausgaben für Arbeitgeber in Deutschland. Zudem forderte er mehr Investitionen in die Infrastruktur für digitale Dienste und mehr Optimismus im Land.

Die Produkte von Continental gerieten bei den Appellen an Politik und Gesellschaft während der Pressekonferenz in den Hintergrund. Zu den Highlights gehört unter anderem einen Vollhybrid auf Basis von 48-Volt-Technik und die neueste Version der „Integrated Interior Plattform“ (IIP). Dieser Hochleistungscomputer soll die Grundlage für die Interaktion zwischen Mensch und Fahrzeug im vernetzten Cockpit bilden. In seinem Cockpit-Demonstrator zeigt der Zulieferer, wie die IIP verschiedenste Anzeigen wie das Kombi-Instrument und das Mittelkonsolendisplay mit Internet-basierten Diensten zusammenführt. Damit ersetzt die IIP mehrere einzelne Steuergeräte.

Webasto zeigt ein formschönes Dach

Eine Premiere feierte das sogenannte „Roof Sensor Module“ von Webasto. Die komplette Sensorik für selbstfahrende Autos ist laut Webasto „formschön“ in das Dachsystem integriert. Der Zulieferer sieht sich in der Lage, auch transparente und öffenbare Dachsysteme mit integrierter Sensorik samt hoher Steifigkeit umzusetzen.

ZF: Neues Getriebe für Plug-In-Hybride

ZF präsentierte erstmals seinen weiterentwickeltes Plug-In-Hybrid-Getriebe. Dieses hat nun die Elektronik und E-Antrieb integriert, was laut CEO Wolf-Henning Scheider nicht nur die Kosten für das Getriebe reduziert, sondern auch den Einbau in das Fahrzeug für den OEM erleichtert. Das neue PHEV-Getriebe soll deutlich effizienter sein, wodurch sich die elektrische Reichweite eines Fahrzeugs auf über 100 Kilometer erhöhen soll. Vor knapp einem Jahr kündigte Scheider einen „Volkshybrid“ an: „Er ist es noch nicht“, sagte Scheider auf der IAA mit Bezug auf den dort vorgestellten Antrieb. Aber man arbeite an der nächsten Stufe und das nun vorgestellte Konzept sei ein weiterer Schritt, den Platzbedarf für die Plug-In-Hybrid-Technik zu verringern.

Premiere feierte außerdem ein Elektroantrieb mit integriertem Zwei-Gang-Getriebe. Die E-Maschine liefert laut ZF bis zu 140 Kilowatt und verbrauche in Kombination mit dem Getriebe weniger elektrische Energie. Der Gangwechsel erfolgt bei 70 km/h. Da der Antrieb an den CAN-Bus des Fahrzeugs angebunden ist, können auf Kundenwunsch auch andere Schaltschwellen eingestellt werden. Kombiniert mit GPS-Koordinaten und Navigationskarten ließe sich somit eine je nach Vorgabe angepasste Schaltstrategie umsetzen. „Bislang mussten sich Fahrzeughersteller bei elektrischen Antrieben zwischen einem hohen Anfahrdrehmoment und einer höheren Endgeschwindigkeit entscheiden“, erklärt Bert Hellwig, Leiter des Systemhauses E-Mobility bei ZF. „Diesen Zielkonflikt lösen wir nun auf, denn der neue Antrieb wird für leistungsfähige und schwerere Fahrzeuge kompatibel sein – zum Beispiel für Pkw, die einen Anhänger ziehen.“

Hella mit Batteriemanagementsystem

Auch der Zulieferer Hella stellt die Elektromobilität in den Mittelpunkt seines Messeauftritts. Kernprodukt ist in diesem Kontext das „Dual Voltage Battery Management System“. Es bündelt die Funktionen einer 48 Volt- und 12-Volt-Batterie (inklusive Low Voltage Battery Management) innerhalb eines einzigen Produktes auf dem Bauraum einer konventionellen 12-Volt-Batterie. Das neue Produkt spare Gewicht und Bauraum und lasse sich einfach in bestehende Fahrzeugarchitekturen integrieren. Die Schaltung der Zellen soll es ermöglichen, die Kapazität der Li-Ion-Batterien je nach Anwendungsfall im 12-Volt- oder 48-Volt-Bordnetz zu verwenden.Start der Serienproduktion wird laut Hella im Jahr 2023 erwartet.

Der Automobilzulieferer zeigt zudem einen neuartigen Sensor, mit dem sich der Zustand der Straßenoberfläche ermitteln lässt. Der Körperschallsensor „SHAKE“ (Structural Health And Knock Emission) sei in der Lage, bereits auf Basis kleinster Berührungen (beispielsweise Vibrationen aufgewirbelter Wassertropfen) den Straßenzustand festzustellen und den Fahrer etwa vor Aquaplaning zu warnen.

Bosch will Rußpartikel bei Benziner reduzieren

Bosch-Chef Volkmar Denner ging zu Beginn seiner Rede auf der IAA zunächst auf die Technik für Verbrennungsmotoren ein: „2030 werden drei von vier Neuwagen Diesel- oder Benzinmotoren an Bord haben, mit oder ohne Hybrid.“ Deshalb sehe er bei Bosch die Pflicht, weiter in diese Technologie zu investieren. „Unser nächstes Ziel ist die Partikelreduktion beim Benziner“, machte Denner deutlich. Gegenüber den Euro-6-d-Benzinern sollen die Feinstaubemission um 70 Prozent reduziert werden. Bei der E-Mobilität sieht Denner eine Trendwende und damit ein deutlich steigendes Wachstum dieses Segments. In den vergangenen 18 Monaten konnte der Zulieferer im Bereich Elektromobiliät Aufträge über insgesamt 13 Milliarden Euro Bestellwert verzeichnen.

Außerdem werde der Brennstoffzellenstack des Partners Powercell zu einem Bosch-Stack weiterentwickelt. Auf der IAA zeigt Bosch unter anderem das gemeinsam mit Benteler entwickelte Rolling Chassis eines Elektrofahrzeugs. Die Plattform ist skalierbar und soll die Segmente B bis E bedienen können. Kunden könnten auch einzelne Module des „Benteler Electric Drive System“ in Auftrag geben.

Garrett mit E-Turbolader

Der aus dem Honeywell-Konzern ausgegründete Zulieferer Garrett ist hierzulande vor allem für seine Turbolader bekannt – und stellte auf der Messe einen elektrisch angetriebenen Verdichter vor. Er leistet maximal sechs Kilowatt und soll ab dem Jahr 2021 auf dem Markt erhältlich sein. Der Turbo funktioniert im 48-Volt-Bordnetz und kann auch mit höheren Spannungen betrieben werden. Eine Besonderheit: Überschüssige Energie aus dem Abgasstrom kann der Rekuperation dienen, der Elektromotor im Turbolader dient dann als Generator, der dem Bordnetz elektrische Energie zuführt. Laut Hersteller gebe es einige Fahrzyklen, in denen der E-Turbo mehr Energie rekuperiere, als er im Fahrbetrieb aufnimmt.

Katalysator-Modell für Euro 7 von Tenneco

Unter anderem um die effiziente Abgasreinigung ging es am Stand des amerikanischen Unternehmens Tenneco. Die „Clean Air“ genannte Sparte des Unternehmens die sich mit der Reinigung von Abgasen beschäftigt, zeigte unter anderem den SCR-Katalysator, den Mercedes aktuell in seinen Fahrzeugen mit längs-eingebauten Dieselmotoren einsetzt. Der ADAC hatte einen C220-Diesel Anfang des Jahres auf der Straße getestet und dabei ein überraschend positives Ergebnis erzielt: Der Stickoxidausstoß (NOx) des Modells lag zwischen null und einem Milligramm pro Kilometer. Außerdem zeigt der Zulieferer Abgasanlagen für Hybridfahrzeuge, Leichtbau-Nachschalldämpfer und einen Prototypen eines sogenannten „Turbo Bypass Catalyst“: ein Katalysator für Hybridfahrzeuge, bei dem nach einem Kaltstart der Abgasstrom am Turbolader vorbei direkt in den Katalysator geleitet wird – mit entsprechend geringerem Emissionsausstoß während der Warmlaufphase. Stichwort: Euro 7.

Orbitalpumpe für Adblue von Ebm-Papst

Stichwort: Adblue. Um das Additiv an die richtige Stelle zu bringen, hat Ebm-Papst eine sogenannte Orbitalpumpe entwickelt. Die drehzahlregelbare und einfriersichere Pumpe pumpt das Additiv aus einem Tank zu einer Düse im Katalysator. Wird das Fahrzeug abgestellt, saugt die Pumpe die Flüssigkeit zurück in den Tank – und verhindert so, dass Adblue in der Leitung verbleibt. Hintergrund: Die Restflüssigkeit würde bei Temperaturen unterhalb von -7 °C in den Leitungen gefrieren und sie so blockieren.

Zudem ist der Sitzkomfort ein Thema: Für die aktive Sitzklimatisierung entwickelt der Hersteller von Elektromotoren und Ventilatoren spezielle Radial- und Axialkompaktlüfter. Sie saugen die kühlere Luft unter dem Sitz an und verteilen die Luft gleichmäßig über die Sitzfläche – die Transpirationsfeuchte nimmt ab und der Sitzkomfort steigt, vor allem auf längeren Fahrten. Im Mittelpunkt der Entwicklung aller E-Motoren steht dabei natürlich deren Energieeffizienz – und das Thema „Power on Demand“, also das Nutzen der elektrischen Motoren nur bei Bedarf. Ein Beispiel: Heutige Klimaanlagen in Fahrzeugen verbrauchen bei Volllast zwischen acht und zwölf Kilowatt. Meist wird der gesamte Fahrzeuginnenraum gekühlt – das ist jedoch nicht notwendig, wenn nur der Fahrer im Fahrzeug sitzt. Entsprechend angesteuerte oder deaktivierte Innenraumlüfter können so ihren Teil zu einem geringeren Kraftstoffverbrauch beitragen.

Mann und Hummel: Schutz für den Brennstoffzellen-Stack

Stichwort: Innenraum. Der Filtrationsspezialist Mann und Hummel zeigte auf der IAA einen gemeinsam mit dem Frontend-Hersteller HBPO entwickelten Feinstaubfilter. Er ist platziert zwischen Kühler und Stoßfänger und soll so Partikel auch von vorausfahrenden Fahrzeugen aufnehmen. Zusätzlich zeigte das Unternehmen seinen passiven Bremsstaubpartikelfilter, der direkt am Bremssattel montiert ist und die Partikel direkt dort auffängt, wo sie entstehen.

Außerdem ging es um den Schutz der Komponenten des Brennstoffzellen-Stacks. Ein neues Luftführungssystem für den Kathodenpfad soll vor Partikeln und schädlichen Gasen in der Ansaugluft schützen und unerwünschte Strömungsgeräusche eliminieren.

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Nachrüst-Satz für Euro-5-Diesel

Ebenfalls mit geringen Emissionen beschäftigen sich Dr. Pley und Bosal. Das Nachrüstkonzept für Dieselmotoren der Abgasnorm Euro 5 senkt die Emissionen der Fahrzeuge, so dass diese von den aktuellen Diesel-Fahrverboten in Städten nicht mehr betroffen sind. Derzeit ist das System für Modelle von Mercedes-Benz und Volvo verfügbar. Entwickelt hat es Dr. Pley, Bosal produziert mit seinen Fertigungskapazitäten die Systeme.

Uveye: Fahrzeuginspektion bei bis zu 30 km/h

Das israelische Unternehmen Uveye hingegen, hat primär den „schönen Schein“ im Blick: Das im Jahr 2016 gegründete Unternehmen hat ein auf künstlicher Intelligenz basierendes System entwickelt, mit dem sich Anomalien am Fahrzeug automatisiert erkennen lassen: zum Beispiel Lecks, Rost, Beulen und Kratzer, Probleme an Bremsen oder Motor bis hin zu illegalen Objekten wie Bomben und anderen Bedrohungen, die für die Sicherheitsindustrie relevant sind. Das System basiert nutzt drei Module, die die unterschiedlichen Fahrzeugbereiche scannen: Fahrzeugunterboden, ein 360-Grad-Scanner für die Oberseite des Fahrzeuges und zwei Scanner, die links und rechts vom Fahrzeug platziert Räder und Reifen inspizieren.

Unterboden, Räder und Reifen lassen sich bis zu einer Durchfahrtsgeschwindigkeit von 30 km/h sicher scannen. Anhand von Referenzbildern kann das System Aussagen dann treffen, ob und wenn ja, welche Form einer Anomalie vorliegt. Skoda und Volvo setzen das System bereits in der Produktion ein, denkbar ist auch der Einsatz im Rahmen der Hauptuntersuchung. Noch in diesem Jahr will das Unternehmen seinen ersten deutschen Standort in München eröffnen.

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